Jeff Koons: Von Ballon-Hunden und Neon-Tulpen
Seine Kunstwerke sind nicht nur die teuersten, sondern zur Zeit wohl auch die meistdiskutierten der Welt: Der US-amerikanische Künstler Jeff Koons wandelt wie kein anderer zwischen Kunst und Kitsch, indem er nicht nur mit den Zeugnissen, sondern auch mit den Methoden der Konsumkultur arbeitet. Während die Kunstsammler sich gegenseitig für funkelnde Herzen, quietschbunte Häschen und polierte Hundewelpen überbieten, werden auch immer wieder Stimmen laut, die in Bezug auf Jeff Koons die älteste Frage des Kunstgewerbes stellen: Was macht Kunst eigentlich zu Kunst?
Glänzende Ballon-Hunde für die Superreichen?
Der teuerste Künstler der Welt arbeitet mit allem, was die schöne bunte Welt des Konsums zu bieten hat. Neben gewöhnlichen Alltagsgegenständen wie Staubsaugern und Poliermaschinen, die er 1979 (fabrikneu) beleuchtet hinter Plexiglas ausstellt, arbeitet Koon im Sinne des "Ready-made" auch häufig mit Konsumgütern, die zwar nicht künstlerisch bearbeitet, jedoch in gewisser Weise verfremdet werden. So erregte beispielsweise seine Serie von, in Wassertanks schwebenden Basketballbällen, für die er unter anderem mit namhaften Physikern zusammenarbeitete, in den Jahren 1981 bis 1985 die internationale Aufmerksamkeit. Was die einen schlicht langweilig, die anderen hingegen amüsant finden, rückt spätestens 2013 in den Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit, als Koons' glänzend polierte Skulptur "Balloon Dogs" über das Auktionshaus Christie's sagenhafte 58,4 Millionen US-Dollar erzielt (siehe Foto).
1992 erschafft Koon, der von Malerei über Objekt- und Prozesskunst in so ziemlich allen künstlerischen Disziplinen bewandert ist, das Werk "Puppy" – einen zwölf Meter hohen Hundewelpen, gefertigt aus gut 17.000 Blumen, für die neunte documenta. Eine kleinere Ausgabe dieses Monumentalwerks können Sie als "Flower Puppy" auch hier in unserer Galerie vorfinden (siehe Bild).
Wenn der Alltag Kunst wird
Kunst ist eine Frage des Geschmacks - und spätestens als die 1960er Jahre alle Tabus brachen und mit den neuen Formen der "Konzeptkunst" die traditionelle Wertehierarchie des akademisch geprägten Kunstbegriffs auf den Kopf stellten, kann alles Kunst sein – wenn es denn eine Botschaft vermittelt. Insbesondere die 60er und 70er Jahre sind künstlerisch extrem gesellschaftskritisch, indem Stilrichtungen wie das Happening, die Objekt- oder Prozesskunst das Publikum in die Gestaltung einbeziehen und ihn durch das Moment des Zufalls und bisweilen auch durch schiere Provokation dazu zwingen, seine Denkstrukturen zu hinterfragen.
Geradezu wörtlich abgebildet ist dieses Anliegen in dem Titel der 1966 in New York stattfindenden Ausstellung „Working Drawings and Other Visible Things on Paper Not Necessarily Meant to Be Viewed as Art“, bei der erstmals nicht fertige Kunstobjekte, sondern Kunstkonzeptionen vorgeführt werden. Während dieser Zeit wird die Kunst zu einem wirkungsmächtigen gesellschaftskritischen Medium – und sie bleibt es bis ins 21. Jahrhundert hinein. Noch in den 1990er Jahren überrascht der Schweizer Künstler Daniel Spoerri mit seiner sogenannten "Eat Art", mit der er das Publikum dazu bewegen möchte, den 'Blick der Gewohnheit' abzulegen und sich die Frage zu stellen, inwiefern unsere Wahrnehmung durch Vorannahmen und Vorurteile geprägt ist.
Jeff Koons: Die neue Generation der Konzeptkunst
Obgleich er mit Gegenständen der Konsumkultur arbeitet und diese durch verfremdete Darstellung in gewisser Weise ironisiert, haben die Kunstwerke von Jeff Koons keinen expliziten gesellschaftskritischen Anspruch – böse Zungen bezeichnen sie sogar als "großformatige Nichtigkeiten". Er provoziert nicht durch eine Ästhetik des Hässlichen wie etwa Damien Hirst oder durch die unverblümte Darstellung der Wegwerfgesellschaft wie Armand Pierre Fernandez (genannt "Arman"): Koons Kunst ist provozierend, weil sie teuer ist. So teuer, dass Kunstwerk und Preis in keinem rationalen Verhältnis mehr zueinander stehen.
Doch die mannshohen Äffchen, funkelnden Welpen und glänzenden Tulpensträuße, die für horrende Summen über Auktionstische in der ganzen Welt gehen, zeigen noch etwas anderes als materiellen Maximalismus: Sie zeigen, dass unser Kunstbegriff sich wandelt. Und sie zeigen, dass Kunst stets ein Spiegel jener Gesellschaft ist, in der sie entsteht. So gesehen ist die Aussage, die Koons Werke vermitteln, genau das: keine Aussage. Seine Arbeiten sind der Spiegel einer Welt, die in Konsumgütern erstickt und trotzdem niemals "genug" hat. Und sie sind Spiegel einer Welt, in der die einen immer weniger haben, und die anderen so viel, dass sie nicht mehr wissen, was sie mit ihrem Reichtum machen sollen. So ist die Aussage der Koon'schen Kunst, die eigentlich keine ist, ihre vollkommene Absurdität – bunt verpackt in metallisch schimmernden Ballon-Hunden.