Action Painting: Die dynamisch-unbewusste Kunst
Der Surrealismus der Golden Fifties: Als in den späten 1940er Jahren die ersten Amerikaner beginnen, ihre Leinwände von der Staffelei auf den Boden zu verlagern und ihre Pinsel durch Holzstöcke, Farbeimer und Walzen zu ersetzen, erinnert das sehr an einen französischen Kunststil, der sich rund dreißig Jahre zuvor in Frankreich entwickelt hatte. Anders jedoch als der Surrealismus, dessen Werke programmatisch die Realität in Frage stellen, geht es im sog. Action Painting speziell um die Gegenständlichkeit des Bildes und die Erfahrung im künstlerischen Schaffensprozess. Das Action Painting entsteht als eine Strömung innerhalb des amerikanischen Expressionismus. Der bedeutendste Vertreter des Stils ist Jackson Pollock (siehe Bild).
Who is Who? Action Painting und die Kunstszene um 1950
Der Begriff 'Action Painting', 'Actionpainting' oder 'Aktionskunst' geht auf den amerikanischen Kunstkritiker Harold Rosenberg zurück, der 1952 einen Aufsatz über die neuartigen und ungewöhnlichen Gestaltungsmethoden des amerikanischen Expressionismus veröffentlicht und diesem die Überschrift „The American Action Painters“ gibt. Ab diesem Zeitpunkt hat die Bewegung zwar einen Namen, ist jedoch nicht klar von anderen Strömungen abgrenzbar. Als Unterkategorie der abstrakten Malerei steht sie den europäischen Erscheinungen von Tachismus und Informel nahe, das Dogma des unterbewussten Gestaltungsaktes rückt sie in die Nähe zur „Écriture automatique“ (Automatisches Schreiben) der Surrealisten. Die Tatsache, dass dem Kunstwerk im Action Painting keine konkrete Idee vorangeht und am Ende auch kein homogenes, in irgendeiner Weise definiertes Ergebnis steht, erinnert an die Techniken des Dadaismus.
Auch über die Genese der Gestaltungsprinzipien lässt sich keine definitive Aussage treffen, da beispielsweise nicht klar ist, ob Techniken wie das „Drip-Painting“ oder das „Schüttbild“ durch das Action Painting geprägt wurden oder ob Künstler, die der Aktionskunst zugeordnet werden, sich dieser Techniken zwar bedient, sie jedoch nicht „erfunden“ haben.
Dynamik und Unbewusstheit: Die Gestaltungsprinzipien der Aktionskunst
Das Action Painting löst sich komplett vom traditionellen Bild des Künstlers, der à la Monet oder Degas, den Pinsel in der einen, die Palette in der anderen Hand, sinnend vor seiner Staffelei steht: Der Schaffensprozess beginnt ohne konkrete Idee und Vorgaben – es gibt keinen Entwurf, keine Vorzeichnung und Vorstellung davon, was am Ende herauskommen soll: Action Painting ist limitiertes Chaos. Limitiert, weil es sich auf einen Malgrund beschränkt, der von der großen Leinwand über Stoffe und Holzpaletten so gut wie alles sein kann. Die Hauptsache ist, dass er ausreichend Platz und Bewegungsfreiheit bietet. Aus diesem Grund arbeiten die Aktionskünstler häufig auf dem Boden, damit sie sich auch über ihrem Malgrund bewegen und so ihren gesamten Körper in den Schaffensprozess einbinden können. Gemalt, gewalzt und gespachtelt wird mit Öl-, Acryl-, Aluminium- und Gouachefarben, die häufig einfach direkt aus der Tube auf den Malgrund gespritzt, getröpfelt (das sog. Tropfbild) oder in großen Mengen über die Leinwand geschüttet und gegossen werden. Viele Aktionskünstler arbeiten auch mit vollem Körpereinsatz, indem sie mit den Händen malen, sich über die Leinwand rollen oder Fußabdrücke auf ihr hinterlassen.
american_rugbier - Nana by Niki de Saint Phalle – flickr.com
Entscheidend ist, dass der Künstler das Werk erst im Schaffensprozess überhaupt „kennenlernt“, sich mit ihm vertraut macht und mit ihm gemeinsam eine eigene Dynamik entwickelt, in welcher es weiterwächst. Die Künstler versuchen, das bewusste Denken auszuschalten und sich ganz der Gestaltung und dem Farbrausch hinzugeben, damit das künstlerische Unterbewusstsein und die Stimmung des Augenblicks die Kontrolle übernehmen können. Entsprechend besitzen Bilder der Aktionskunst weder hierarchische noch perspektivische Organisation oder figurative Darstellung: Die Dynamik im Bild entsteht immer nur dadurch, wie weit der Pinsel bzw. Das jeweilige Arbeitsgerät vom Malgrund entfernt ist: Hockt der/ die Künstler auf dem Bild, entstehen andere Effekte, als wenn er oder sie die Farbe aus der Ferne aufbringt. Beispielhaft für einen relativ großen Abstand zwischen Künstlerin und Kunstwerk sind die "Schießbilder" der französisch-schweizerischen Malerin und Bildhauerin Niki de Saint Phalle, die durch ihre überlebensgroßen "Nana"-Skulpturen bekannt geworden ist.
Jackson Pollock: Tropfbilder & Dripping
Kein anderer Name ist so sehr mit der Aktionskunst verbunden wie der Jackson Pollocks, welcher noch heute als der wichtigste Vertreter dieses Kunststils gilt. Pollock war der erste „Mutige“, der die traditionellen Malmittel hinter sich ließ, und die Farbe direkt aus den Tuben auf die Leinwand spritzte bzw. aus Dosen auf den Malgrund tropfen ließ oder mit Kellen darüber ausgoss. Besondere Bekanntheit haben in diesem Zusammenhang Pollocks „Tropfbilder“ (1948) erlangt, die Sie auch bei uns in der Galerie entdecken können. Die Tropfbilder entstehen durch das sog. „Dripping“, dem Ausgießen oder Ausschütten der Farbe (in der Regel Farblacke) direkt über der Leinwand.
Durch die Technik entfaltet sich auf dem Malgrund eine regelrechte Landschaft fein gesponnener, dynamisch ineinandergreifender und vielschichtiger „Netze aus Farbspuren und Farbfäden“, die kunsthistorisch auch als „All over“ bezeichnet wird.
Weitere Vertreter der amerikanischen Aktionskunst sind:
Norman Bluhm,
Franz Kline und
Helen Frankenthaler