Mel Ramos: Pop-Art und Erotik
Blondinen, die auf Havannas reiten und vollbusige Brünette, die sich vor Coca-Cola-Flaschen räkeln: DAS ist Mel Ramos, mit bürgerlichem Namen Melvin John Ramos. Der 1935 in Sacramento geborene Künstler gilt seit den 1960er Jahren als einer der bedeutendsten Vertreter der amerikanischen Pop-Art, steht jedoch auch den Bewegungen des Abstrakten Expressionismus und der Bay Area Figurative School nahe. Den Mittelpunkt von Ramos` Werk bilden die "niederen" Motive des Alltags, darunter insbesondere die Konsumgesellschaft, die Massenmedien und die amerikanische Werbelandschaft. Die Kreationen des US-Künstlers faszinieren und schockieren seit fast sechzig Jahren ein internationales Publikum.
Pop Art: Kunst gegen den Konformismus
Die "Popular Art" entsteht in den 1950er Jahren zeitgleich in England und Amerika und versteht sich, wie ihr Name schon sagt, als Kunst für die Massen. Entsprechend zeichnet sich für gewöhnlich nicht nur die künstlerische Gestaltung durch eine gewisse "Poppigkeit" aus, sondern auch die Motive stammen aus dem Bereich des Trivialen: Die Pop-Art prangert Massenmedien sowie das kapitalistische Erwerbsstreben an und zeigt eine von offensichtlichen und subtilen Werbebotschaften überschwemmte Gesellschaft, die sich tagtäglich im Strudel des Konsums befindet. Im Gegensatz zum intellektuellen Kunststil dieser Zeit formiert die Pop-Art sich dezidiert als "Anti-Kunst", was sich formal in klaren Strukturen und extremer Plakativität niederschlägt.
Die Entdeckung der "Commercial Pin-Ups"
Zu Beginn seines künstlerischen Werdegangs beschäftigt sich Mel Ramos vorwiegend mit berühmten Comic-Figuren wie Superman, Batman und Wonder Woman, die er in verfremdeter Umgebung (beispielsweise einkaufend in einem Supermarkt) darstellt. Schon ab 1963 gelangt er jedoch zur Darstellung dessen, was sein Werk bis in die Gegenwart bestimmen soll: Pin-Up-Girls mit wenig bis gar keiner Kleidung, dargestellt in eindeutiger und aufreizender Pose. Doch natürlich malt Ramos nicht einfach nackte Frauen: Er nutzt seine Pin-Ups, um das insbesondere im Amerika der 1960er Jahre allgegenwärtige Motto "Sex sells!" der Werbeindustrie anzuprangern. Entsprechend liegen seine nackten Schönheiten, die nicht selten die Züge berühmter Hollywood-Ikonen tragen, auf überdimensionierten Zigarren, räkeln sich in Martini-Gläsern (siehe Bild: Martini Miss # 2) und schälen sich lasziv aus Chiquita-Bananen oder Maiskolben.
Ab den 1970er Jahren setzt Ramos seine Beauty-Queens und Göttinnen darüber hinaus auch zu deutlich persiflierenden Zwecken ein, wenn er in seinen sogenannten "Unfinished Paintings" Aktbilder bekannter Künstler wie Edouard Manet, Sandro Botticelli oder Amadeo Modigliani dahingehend verändert, dass er ihre geschickt subtil angedeutete Erotik durch die aufreizenden Posen seiner Pin-Ups ersetzt. Ein berühmtes Beispiel ist hierfür etwa die "Transfiguration of Galatea", die das klassische Vorbild Botticellis ("Die Geburt der Venus", ca. 1450) persifliert: "Seine "Venus" ist zugleich Beauty-Queen, Power-Frau und Göttin.“ Neben seinem künstlerischen Schaffen ist Ramos zwischen 1966 und 1997 auch als Lehrender im Fachbereich Malerei an der California State University tätig.
Mel Ramos und die Sache mit dem Feminismus
Als in den 60er Jahren die ersten Pin-Up-Girls auf Kuchen und Chipstüten hüpfen, sieht Ramos sich vor allem der Kritik von politisch konservativer Seite ausgesetzt, die es ihm unter anderem erschwert, Ausstellungsräume für seine Werke zu finden. Bei einer Einzelausstellung in Köln im Jahre 1967, bei der die Serie "Animal Paintings" gezeigt wird, verhängt die Polizei gar einige der Bilder, da diese Frauen in erotischer Pose mit Nilpferden und Robben zeigen. Im Zuge der Zweiten Frauenbewegung während der 70er Jahre kommt auch massive Kritik von feministischer Seite hinzu, die sich vor allem gegen die Sexualisierung des weiblichen Körpers (die Frau als "Ware") richtet, dabei jedoch verkennt, dass Ramos' Arbeit genau jene Zwangsallianz zwischen weiblichen Reizen und Konsum anzuprangern sucht.
Auch heute noch erfreuen sich die Werke von Mel Ramos großer Beliebtheit. Allerdings ist sein Publikum heute weniger das gesellschaftskritische und politische Publikum, das es noch vor zwanzig Jahren war, sondern vielmehr die Vintage-verrückte Generation, die sich nach alten Idealen und der konservativen Behaglichkeit einer längst vergangenen Zeit sehnt. Mel Ramos ist nach wie vor künstlerisch tätig und lässt seine nackten Schönheiten weiterhin auf Donuts, Zigarettenschachteln und Golfbällen posieren (siehe Beispielbild: Dunkin' Donuts). Erst vor kurzer Zeit feierte der Künstler seinen 80. Geburtstag.