Als er Mitte der 80er Jahre eine knallgelbe gekrümmte Südfrucht neben den Eingang des Museums Ludwig sprüht, wird Thomas Baumgärtel dafür noch verhaftet. Heute ist der Kölner Künstler weltweit bekannt und "seine" Banane das begehrteste inoffizielle Gütesiegel der Kunstszene. Mehr als 4000 Galerien, Museen und andere, der Kunst verbundene, Orte in den Metropolen dieser Welt hat der "Bananensprayer" mittlerweile mit seinem Markenzeichen versehen – doch Baumgärtels Kunst beschränkt sich natürlich nicht auf die Banane.
Warum Bananen? Ein Kunstobjekt wird geboren
In seiner Eigenschaft als "Bananensprayer" gilt Thomas Baumgärtel als Streetart-Künstler, der sein fruchtiges Logo zu Beginn seiner Tätigkeit ohne Erlaubnis an öffentlichen Orten platzierte. Mittlerweile sind seine Bananen, die innerhalb der Kunstszene als das Qualitätssiegel gelten, jedoch so begehrt, dass der Künstler seine gesprayten Früchte sogar im Zuge von offiziell geplanten Aktionen anbringen kann – so etwa im Jahre 2010, wo Baumgärtel über 100 Kunstorte (darunter Bochum, Essen und Gelsenkirchen) im Ruhrgebiet mit seinem Logo verzierte. Auf diese Weise muss der Kölner auch nicht mehr fürchten, für seine Kunst von der Polizei belangt zu werden. Die Verbundenheit mit der Banane, die für Baumgärtel nichts weniger als die Freiheit der Kunst symbolisiert, geht auf eine Begebenheit während seines Zivildienstes in seiner Heimatstadt Rheinberg zurück, die Baumgärtel sein "Bananenerweckungserlebnis" nennt:
In dem katholischen Krankenhaus, in dem er zu jener Zeit arbeitet, findet er eines Tages ein Kruzifix auf dem Boden liegend. Einer spontanen Eingebung folgend, kreuzigt der Zivi Baumgärtel seine Frühstücksbanane, indem er die Schalen gleich Armen jeweils zur Seite ausbreitet und das Fruchtfleisch als Körper positioniert. In dieser Pose lässt er das Werk verwittern: Es ist die Geburt der Banane als Kunstobjekt.
„So wie die Galerien und Museen mit der Banane umgehen, gehen sie auch mit der Kunst um. Wer sie entfernen lässt, beweist nicht nur wenig Humor, sondern auch eingeschränkten Kunstverstand.“
Von Bananen, 'Neuen Wilden' und der BRD
Die Banane als Markenzeichen jedoch geht auf das Gedankengut und den Boom des Kunstmarktes während der 80er Jahre zurück als Baumgärtel Freie Kunst und Psychologie in Köln studiert und die "Neuen Wilden" mit ihrer subjektiven und lebensbejahenden Kunst die Szene auf den Kopf stellte. Zu jener Zeit, entwickelt der Sprayer, der heute selbst begeisterter Sammler moderner Kunst ist, seine eigene Strategie, um die Kunsthändler auf sich und sein Werk aufmerksam zu machen:
"Ich wusste nicht: Wie geht man mit Galerien um? Meine Herangehensweise war: Zack! Ich sprüh denen nachts eine Banane - und schau mal, wie sie drauf reagieren. So begann alles."
Doch den Bananensprayer verbindet nicht nur eine persönliche Erfolgsgeschichte mit seiner Lieblingsfrucht – sie ist für ihn auch Ausdruck seiner Heimat. Und das laut Baumgärtel im "Positiven wie im Negativen": Zum einen deute die Konnotation mit dem Ausdruck "Bananenrepublik", der seinerseits eine Lehnübersetzung der amerikanischen 'banana republic' ist, die Problematik von Korruption und desolater wirtschaftlich-moralischer Lage in der Bundesrepublik an, der man sich nicht verschließen dürfe. Auf der anderen Seite sei die Banane jedoch auch das Symbol für Wohlstand, Luxus und das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg, da Bananen unter Adenauer zollfrei nach Deutschland exportiert werden durften (was europaweit einzigartig war) und in der BRD als absolutes Luxusgut und nach 1989 auch als Symbol der Wiedervereinigung mit der DDR galten.
Die Verbindung zwischen der gelben Südfrucht und der Bundesrepublik Deutschland hat Thomas Baumgärtel u.a. in seinem "Bundesbananenadler", den Sie bei uns auch hier online entdecken können, und mit der "Deutschlandbanane" in schwarz-rot-gold für alle Zeit festgehalten. In der Duisburger Karlsstraße 28 ist sogar ein ganzes Haus mit Baumgärtels Bananen verziert: Gemeinsam mit dem Malermeister Dieter Siegel-Pieper, der sie Vorarbeiten leistete, hat Baumgärtel hier sein sog. "Bananenhaus" gestaltet, das ein künstlerisches Unikat ist und Besucher aus dem gesamten Ruhrgebiet anzieht.
Jenseits der Südfrüchte: Nichtbananen-Kunst & Aktuelles
Natürlich bleibt ein Künstler, der immer nur ein Motiv malt, nicht lange im Fokus der Aufmerksamkeit. Doch Baumgärtel hat auch weitaus Ernsthafteres als seinen "Bananen-Pointilismus" zu bieten: In seiner "grauen Phase" beispielweise beschäftigt der Kölner Künstler sich über fotorealistische Arbeiten mit problematischen Themen wie dem KZ Buchenwald oder auch regionalen Motiven, die auf panoramaartigen Großformat-Leinwänden Szenen seiner Heimatstadt Köln, wie etwa das Schauspielhaus, die Kranhäuser am Rheinauhafen und den Dom zeigen.
Aktuelle museale Ausstellungen:
Völklinger Hütte bis November 2015 ("Urban Art 2015!)
Historisches Museum der Stadt Luxemburg bis zum 03. Januar 2016 ("Zeichen. Sprache ohne Worte")
Völklinger Hütte bis zum 03. April 2016 die Ausstellung "Schädel – Ikone. Mythos. Kult"
Trotz der anderen Ansätze in seinem Werk wird Thomas Baumgärtel im Volksmund wohl immer der "Bananensprayer" bleiben – ein Image, das er durch großangelegte Aktionen auch immer wieder erneuert. So versperrt er anlässlich der 750-Jahres-Feier des Kölner Doms 1998 beispielsweise den Eingang zu dem altehrwürdigen Sakralbau mit einer Bananenskulptur von vier Tonnen Gewicht. Mit dem Berliner Senat verhandelt er außerdem seit gut zwölf Jahren über die Erlaubnis, das Innere des Brandenburger Tors mit einer Banane ausfüllen zu dürfen.
„Man kann die ganze Welt auch mit einer Banane darstellen.“ (T. Baumgärtel)