Armory Show 2018 in New York: Moderne Kunst facettenreich zelebriert
Armory Show 2018 in New York: Moderne Kunst facettenreich zelebriert
Seit ihrem Debüt im Jahr 1994 zählt die New Yorker Armory Show zu den herausragenden Ereignissen im Bereich der zeitgenössischen Kunst. Zwischen dem 8. und 11. März 2018 ließen sich die Besucher bei der 24. Edition der Kunstmesse an den West-Side-Piers von den beeindruckenden Werken aus 31 Ländern inspirieren. 3D-gedruckte Skulpturen waren ebenso zu sehen wie bedeutende Arbeiten von legendären Künstlern, die in Deutschland verwurzelt sind. So gelang es Nicole Berry, das Publikum nicht nur zu begeistern. Durch das gelungene Konzept der ambitionierten Geschäftsführerin wurde das Event dem übergeordneten Ziel gerecht, kritisch-konstruktive Dialoge anzustoßen.
Fulminanter Auftakt mit einer zeitkritischen Installation von JR
Wer sich über den West Side Highway dem Veranstaltungsort an den Piers 92 und 94 näherte, wurde umgehend auf das Ereignis der Kunstszene aufmerksam. Denn am Eingang der 24. Armory Show wurde eine fotografische Installation positioniert, die mit ihren monumentalen Maßen verblüffte. Kunstkenner erkannten sogleich, dass das gigantische Werk aus der Feder von JR stammt. Bewusst tritt der Franzose in der Öffentlichkeit immer mit schwarzer Sonnenbrille und Hut auf, um seine Individualität nicht ins Rampenlicht zu rücken. Das Interesse des Publikums fokussiert sich dadurch umso mehr auf die tiefsinnigen Projekte, die er in aller Welt umsetzt. Bei der Armory Show 2018 regte er sowohl die Besucher der Kunstmesse als auch zufällige Passanten mit seiner Arbeit "So Close" zum Nachdenken an.
Hierfür wählte JR ein fotografisches Zeitzeugnis, das auf Ellis Island entstand. An diesem Ort kamen zwischen 1892 und 1924 rund zwölf Millionen Einwanderer voller Hoffnung in den USA an. Das historische Szenario überlagerte er mit aktuelleren Porträts von syrischen Flüchtlingen, die im jordanischen Lager Zaatari einer ungewissen Zukunft entgegenblicken. Es ist typisch für den Künstler, dass er die Messegäste bei der Ankunft an den New Yorker Piers unausweichlich mit einem politischen Problem konfrontierte. Dass als Ausstellungsort für eine Arbeit, die den Zugang zu einem Land thematisiert, der Messeeingang gewählt wurde, ist ebenfalls charakteristisch für JR.
Nachhaltig beeindruckende Ausstellungskonzepte
Das politisierende Werk des Street Art-Künstlers war der Sektion "Plattform" zugeordnet, für die sich Jen Mergel verantwortlich zeigte. Dieses Areal der rund 76.000 Quadratmeter umfassenden Armory Show fokussiert sich seit zwei Jahren auf großformatige Präsentationen. Für die Messe 2018 wählte die renommierte Kuratorin aus Boston gezielt Arbeiten von Nachwuchskünstlern aus, an denen sich neuartige Tendenzen des kreativen Schaffens ablesen lassen. Gabriel Ritter, der das Institute of Art in Minneapolis leitet, organisierte hingegen die Sektion "Focus".
Beim übergeordneten Thema entschied er sich für den Einfluss der Technologie auf die Darstellung des physischen Körpers. Bewusst stellte der Kurator gemeinsam mit den 28 geladenen Galerien ein Potpourri zusammen, das von der Videokunst des koreanischen Pioniers Park Hyun-Ki bis zu den innovativen Werken der jungen Französin Claire Tabouret reichte. So ergab sich eine Zeitreise, die ein halbes Jahrhundert der Kunstgeschichte umfasste. Dementsprechend leicht viel es den Besuchern, die zeitgenössischen Arbeiten zum ausgewählten Motto in den historischen Kontext einzuordnen.
Tausende Werke mit extraordinärem Charakter
Aus dem Reigen der rund 250 Kunstmessen, die weltweit pro Jahr veranstaltet werden, sticht die Armory Show hervor und genießt einen exzellenten Ruf. Für das Event bewerben sich ausgesprochen viele Galerien und Kunstprojekte, von denen nur ein Teil tatsächlich geladen werden kann. Ein hochkarätiges Komitee pickt mit größter Sorgfalt die vielversprechendsten Interessenten heraus, die allesamt mit spannenden Konzepten und exzeptionellen Ausstellungsobjekten überzeugen. Jedes einzelne Werk, das die 198 beteiligten Galerien aus 31 Ländern zwischen dem 8. und 11 März vorstellten, hätte sich demnach eine Einzelbetrachtung verdient.
Vertreten waren bei der Armory Show 2018 nicht nur einige deutsche Galerien, sondern auch international bekannte Künstler aus der Bundesrepublik. Die Sektion "Insights" widmete sich bei der Messe wegweisenden oder bislang übersehenen Arbeiten von Künstlern des 20. Jahrhunderts. Das Publikum begegnete unter anderem Werken von Heinz Mack, der als Pionier der sogenannten Land Art gilt und mit seinen experimentellen Lichtreliefs für neue Impulse in der Kunstszene sorgte. Zu sehen waren außerdem Objekte des Licht- und Feuerkünstlers Otto Piene und von Günther Uecker, der mit seinen Nagelbildern einst einen unkonventionellen Stil vorstellte.
Deutsche Nachwuchstalente beim Kunst-Event in Manhattan
Wer sich bei der Armory Show 2018 vom Talent der deutschen Nachwuchskünstler überzeugen wollte, kam ebenfalls nicht zu kurz. Alberta Niemann und Jenny Kropp sind die kreativen Köpfe des Künstlerkollektivs FORT, das 2017 gegründet wurde. Den beiden jungen Frauen gelingt es vortrefflich, scheinbar vertraute Dinge oder Begebenheiten des Alltags so zu arrangieren, dass sich eine befremdliche, poetische oder humoristische Konnotation entfaltet. Wie versiert das aufstrebende Duo mit den Sehgewohnheiten des Publikums spielt, verdeutlichte das ausgestellte Werk "Little Darling" bei der New Yorker Kunstmesse.
Gleichermaßen faszinierend ist die Arbeit "Gliedermensch #27" von Louisa Clement aus Düsseldorf, die ebenfalls als maßgeblich für die jüngsten Entwicklungen der Kunst eingestuft wurde. In Berlin lebt Nadira Husain, die das anspruchsvolle Publikum mit ihrem Beitrag "Turbo Queen" begeisterte. Wenngleich die Malerin zu den Nachwuchstalenten zählt, pflegt sie bei ihren Gemälden und Installationen bereits einen unverwechselbaren Stil. Geometrische Muster, die an bemalte Fliesen oder Teppiche erinnern, treffen auf Comic-Figuren und Frauenporträts, die sich von femininen Klischees distanzieren.
Beflügelnde Impulse für die zeitgenössische Kunst
Den Organisatoren ist es zweifelsohne gelungen, mit der 24. Edition der Armory Show den facettenreichen Charakter der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts zu verdeutlichen. Einige der ausgestellten Arbeiten bescherten dem Publikum schlicht und ergreifend ein unvergessliches Kunsterlebnis. Andere Objekte wurden hingegen dem Ziel gerecht, bei den Experten kontroverse Debatten anzustoßen und die neugierigen Besucher zum Nachdenken einzuladen. Diese Wirkung ist im Sinne der vier Galeristen, die in den 1990er Jahren die Messe ins Leben riefen. Für die erste sogenannte "Gramercy International Art Fair" mieteten die Initiatoren mehrere Etagen eines historischen Hotels an. Aufgrund des Erfolgs zog die Veranstaltung im Jahr 1999 in ein Gebäude des 69th Regiment Armory um, wodurch sich der direkte Bezug zu einem legendären Kunstereignis ergab.
Am identischen Ort lockte 1913 die "International Exhibition of Modern Art" die Besucher an, die auch als "Armory Show" bezeichnet wurde. Zu den rund 1.250 Ausstellungsobjekten gehörten beinahe 400 Gemälde und mehr als zwanzig Skulpturen aus Europa. Deren Stil wurde als radikal empfunden und in der Öffentlichkeit heiß diskutiert. Dass einige Werke die Kunstexperten ebenso schockierten wie das Publikum, war durchaus erwünscht. Die Veranstalter wünschten sich Denkanstöße für die Kunstszene in den USA, die aus ihrer Sicht zu sehr an herkömmlichen Wertmaßstäben festhielt. Rückblickend betrachtet gelang diese Mission, da im Anschluss viele ambitionierte Galerien gegründet wurden und zahlreiche US-Künstler einen markanten Stil herausarbeiteten. Nicht ohne Grund spielt die heutige Kunstmesse an den Piers 92 und 94 auf das historische Event an. Noch immer ist es das erklärte Ziel, dem Nachwuchs eine Plattform zu bieten und dafür zu sorgen, dass sich die zeitgenössische Kunst weiterentwickelt.