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Klassizismus: Sehnsucht nach Antike und italienischer Renaissance

In gewisser Weise ist Kunst immer Nachahmung: Jedes Motiv ist schon einmal gemalt, gezeichnet oder gesprayt worden und jeder Künstler bzw. jede Künstlerin ist einer Vielzahl von Einflüssen ausgesetzt ist, die seine bzw. ihre Arbeit prägen. Um 1800 bildet sich mit dem Klassizismus bzw. der Neoklassik in Kunst und Architektur jedoch eine Bewegung heraus, die in dem Stil vergangener Epochen nicht nur ein inspirierendes Vorbild sieht, sondern diese dezidiert kopiert. Das "Begehren" der klassizistischen Künstler richtet sich dabei vor allem auf die klassische Antike und die Formensprache der italienischen Renaissance.

Franz-Xaver Winterhalter Gemälde

Franz Xaver Winterhalter - Portrait of Empress Maria Alexandrovna

Der Begriff "Klassizismus" wird häufig mit der Epoche der klassischen Antike verwechselt. Während diese jedoch die Geschichte des antiken Griechenland, des Hellenismus und des darauf folgenden Römischen Reiches bezeichnet, bedeutet "Klassizismus" die Rückwendung (und häufig auch das Kopieren) zu der künstlerisch-architektonischen Formensprache der Antike. Kunstgeschichtlich ist die klassizistische Epoche auf den Zeitraum zwischen 1770 und 1840 datiert und löst den Spätbarock bzw. das Rokoko ab. Die nicht-europäische Bezeichnung für den Klassizismus lautet "Neoklassik", die wiederum nicht mit den neoklassizistischen Strömungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu verwechseln ist.

Ab 1840 wird der Klassizismus in der Architektur vom Historismus abgelöst, einer eklektischen Strömung, die auf unterschiedliche architektonische Stile, darunter etwa Romanik, Gotik, Barock und Renaissance, zurückgreift und deren Formensprache nicht nur kopiert, sondern die einzelnen Elemente miteinander kombiniert und steigert. "Geistige" Wegbereiterin des Klassizismus ist die Aufklärung, welche dem gefühlsbetonten Rokoko klare Strukturen und das Primat der Vernunft entgegensetzt.

Klassizistische Architektur: Sehnsucht nach der (griechischen) Antike

Der Klassizismus versteht sich bereits in seiner frühen Phase als künstlerisches Gegenprogramm zu der ausladenden, verschnörkelten Formensprache des (Spät)barock und der ornamentalen, aufwändigen Kunst des Rokoko: Durch die Sehnsucht nach natürlichen und schlichteren Formen wird die Erforschung der antiken Kunst und Architektur vorangetrieben, wie sie beispielsweise die Athener Akropolis aufweist. Da die klassische Architektur sich insbesondere durch einfache Formen sowie klare Linien und Gliederungen auszeichnet, werden diese schlichten, aber eindrucksvollen Grundformen in der Architektur zum Vorbild. Bedeutend für die Wiederentdeckung der klassischen Formensprache ist in Deutschland vor allem der Bibliothekar und Kunsthistoriker Johann Joachim Winckelmann. Fortan bildet das geometrische Formeninventar von Quadrat, Kreis, Kugel und Pyramide den Grundstein der klassizistischen Architektur.

Beispiele für klassizistische Architektur sind:

das Neue Potsdamer Tor in Berlin,

die St.-Pauli-Kirche in Hamburg und

der Triumphbogen in Paris sowie

die Gloriette in Schönbrunn (Wien).

Ein bekannter klassizistischer Architekt aus Deutschland ist Karl Friedrich Schinkel, der u.a. den Zentralbau der Nikolaikirche in Potsdam entworfen hat.

Klassizistische Malerei: Sehnsucht nach der italienischen Renaissance

Während die klassizistische Architektur ihr Vorbild in den klassischen griechischen Tempelbauten sieht, orientiert sich die Malerei dieser Zeit vornehmlich an der Italienischen Renaissance, die kunstgeschichtlich etwa auf das 15. und 16. Jahrhundert datiert ist. Da allerdings auch die Renaissance sich sowohl die bildnerische Formensprache als auch das Wissen und die philosophischen Vorstellungen der griechischen und römischen Antike zu eigen gemacht hatte, prägen Elemente wie idealisiertes Ebenmaß und Harmonie, sowie idealisierende Darstellung der Natur sowohl die Architektur als auch die klassizistische Malerei. In Letzterer werden schon bald Kriterien und Richtlinien zur Erzeugung jener "richtigen" Kunst festgelegt. Parallel zum Klassizismus entsteht in der Bildenden Kunst (und der Literatur) auch die Bewegung der Romantik, welcher den vernunftzentrierten, an der Aufklärung geschulten Denkstrukturen der klassizistischen Epoche eine Art Gefühlskult entgegensetzt.

Die klassizistischen Maler lösen sich von den allegorisch-symbolischen Motiven der Barockzeit und orientieren sich an klassischen literarischen Szenen der griechischen und römischen Antike. Ziel ist es, die „Fehler“ der realen Erscheinung im künstlerischen Kunstwerk auszugleichen und der Wirklichkeit eine idealisierte Fassung ihrer selbst entgegenzustellen. Zu diesem Zweck verbringen klassizistische Künstler wie François Gérard, Antoine-Jean Gros und Gottlieb Schick viel Zeit mit dem Studium der „alten Meister“ in Museen und Kunsthäusern, um sich mit den Gestaltungsregeln der antiken Kunstwerke vertraut zu machen. Der pastose, extrem intensive Farbauftrag des Barock und Rokoko weicht zunehmend einem flächigen Farbauftrag, welcher der harmonischen Gesamtkomposition entspricht. Ausdruck dieses festen Regelwerks ist auch die „Ecole des Beaux-Arts“ in Paris, die erst während der künstlerischen Moderne zu Beginn des 20. Jahrhunderts an Einfluss verliert.

Bekannte klassizistische Gemälde sind u.a. das „Bildnis des Johann Jochamin Winckelmann“ der deutschen Künstlerin Angelika Kauffmann aus dem Jahre 1764, der „Schwur der Horatier“ des Historienmalers Jacques-Louis David von 1784 und ein Bildnis der österreichischen Kaiserin Elisabeth (Sissi) aus dem Jahre 1865, gemalt von Franz Xaver Winterhalter (Beispielgemälde siehe oben).


Minoische Kunst aus Kreta: Meister der Wandmalerei

Als ein gewaltiges Erdbeben um 1700 vor Christus auf Kreta die alten Paläste einer der rätselhaftesten frühen Kulturen der Welt zerstört, macht es zugleich den Weg frei für die Minoische Hochkultur, während derer sich die minoische Freskomalerei zur Meisterschaft entwickelt. Die Minoer, deren Name auf den mythischen Despoten Minos zurückgeht, bauen die Paläste wieder auf – und das prunkvoller als jemals zuvor. Während der darauf folgenden "Neupalastzeit" entstehen Kunstwerke, die bis heute ihresgleichen suchen.

Minoische Kunst und Kultur

Die Minoische Kultur existiert ca. seit dem sechsten vorchristlichen Jahrtausend und wird kunsthistorisch in die Vor-, die Alt-, die Jung- und die Nach-Palastzeit eingeteilt. Obgleich die Minoer in der Vorpalastzeit, welche in die Bronzezeit fällt, noch weitestgehend im Schatten der Ägypter und Mesopotamier stehen, sind schon für diesen Zeitraum wachsende künstlerische Fertigungsweisen belegt. Verschiedene Funde kunstvoller Keramik und Goldschmucks als Grabbeigaben verraten für diesen Zeitraum deutlichen ägyptischen, anatolischen und mesopotamischen Einfluss.

In der Älteren Palastzeit, die etwa um 1900 v. Chr. beginnt, erlebt die minoische Kultur ihre erste Blütephase durch die merkantile Vormachtstellung im östlichen Mittelmeer und die guten Handelsbeziehungen zu Ägypten. In diese Zeit fallen der sog. "Kamaresstil", benannt nach Keramik-Funden in der Kamaresgrotte im Ida-Gebirge. Die Ältere Palastzeit verdankt ihren Namen den mehrstöckigen Palastanlagen von Malia, Festos und Knossos, welche mit weitläufigen Hofanlagen und Wasserleitsystemen ausgestattet waren. Heute geht man davon aus, dass die Palastanlagen die religiösen und ökonomischen Zentren dieser frühen hochentwickelten Kultur waren.

Als die Paläste um 1700 durch ein Erdbeben zerstört werden, beginnt mit ihrem Wiederaufbau die "Jüngere Palastzeit" oder "Neupalastzeit", in welcher die prunkvollen Anlagen endgültig zu den wichtigsten Wirtschafts- und Kultzentren avancieren. Zu den wiedererrichteten Palästen in Knossos, Malia und Festos kommen noch Anlagen in Archanes, Kydonia und nahe der Küste Zakros hinzu. Die Handelsbeziehungen werden in dieser Zeit bis nach Italien und den vorderen Orient ausgedehnt, was sich u.a. als bedeutsamer Einfluss in den Handwerkskünsten manifestiert. Die Jüngere Palastzeit endet abrupt um 1450 v. Chr., als eine Feuerkatastrophe den Großteil der befestigten Städte und Paläste zerstört.

In der Forschung herrscht Uneinigkeit darüber, ob das Ende dieser Epoche durch den Ausbruch des Vulkans von Thera besiegelt wurde oder ob auch andere - möglicherweise kriegerisch-politische Aspekte - eine Rolle gespielt haben. Tatsache ist, dass auch die "Nachpalastzeit" nur noch wenige Jahrhunderte bestand und um 1100 v. Chr. durch die (vom griechischen Festland nach Kreta gelangten) Mykener beendet wurde, die den Palast von Knossos als Herrschersitz einnahmen.

Die Neupalastzeit: Wiege der Minoischen Kunst

Nachdem die Paläste der Älteren Zeit um 1700 prunkvoller als jemals zuvor wieder aufgebaut worden waren, wurden sie zum Sitz der bedeutendsten Künstler jener Epoche, mit denen die Freskomalerei ihren qualitativen Höhepunkt erreichte. Hier entwickelt sich die "Al-fresco-Technik", die noch viele Jahrhunderte lang überall sonst unbekannt war: Bei dieser Technik wurden die farbigen Motive direkt auf den noch feuchten, mit einer Mischung aus Putz, Kalk und Tierhaaren verputzten Untergrund gegeben, damit sich Farbe und Malgrund auf einzigartige Weise miteinander verbinden konnten.

Die Farben wurden hergestellt, indem die Künstler Farbpigmente und Mineralien feuchtem Gips beimischten. Sobald der erste Nass-in-Nass-Auftrag an der Wand getrocknet war, wurden weitere Schichten aufgetragen und die Details mithilfe von feinen Bürsten ausgearbeitet. Am Ende dieses Prozesses stand eine Lasur aus Ei-Tempera (eine Mischung aus Eigelb, Leinöl und Wasser) und ein abschließendes Polieren. Berühmte Beispiele für diese Art des Wandfreskos sind das Delfin-Fresko und die Stierspringer-Szenen aus den Ruinen des Palastes von Knossos. Die dargestellten Szenen sind in der Regel zweidimensional und ohne jede Tiefenwirkung.

Die Paläste der Neupalastzeit weisen unterschiedlichste Arten von Fresken auf, welche jeweils auf die Beschaffenheit der Räumlichkeiten abgestimmt sind, in denen sie angebracht sind. So wurden Wandgemälde wie beispielsweise Landschaften eher zentral angeordnet und hielten zum Boden, zu den Fenstern und Türen einen immer gleichen Abstand ein. Die freigelassenen unteren Bereiche über dem Boden wurden ebenfalls verziert – entweder durch Marmorfliesen oder durch kleinere Wandgemälde in Marmor-Optik. Während die oberen Bereiche unterhalb der Decke mit schmalen Fresken versehen wurden, zierten die Decken spiralförmige Muster, Rosetten und Girlanden-Bordüren. Neben den Räumlichkeiten wurden auch Altäre und Balustraden mit Fresken verziert.

Die Fresken der minoischen Künstler sind erstaunlicherweise gänzlich frei von Huldigungen an jeweilige Herrscher oder andere politische Aussagen: Die Szenen zeigen häufig kultische Rituale, religiöse Symbole und Stätten, sowie Wettkämpfe wie etwa das Stierspringen. Neben den religiösen Themen finden sich auch viele Landschaftsdarstellungen, da die minoische Kultur sehr naturverbunden war. So zeigen die Fresken Flora und Fauna der griechischen Insel mit einem Schwerpunkt auf der Darstellung der Meereslebewesen, welcher in der kunstgeschichtlichen Forschung als sog. "Meeresstil" bekannt geworden ist. Doch auch der Alltag der minoischen Kultur, wie beispielsweise Hinweise auf Kleidung und Körper- bzw. Schönheitsideale, finden sich auf den Fresken der Neupalastzeit.


Fauvismus vs. Expressionismus: Zwei Namen, ein Konzept?

Rote Pferde, gelbe Bäume, blaue Menschen – was in Deutschland als "expressionistisch" bezeichnet wird, gilt in Frankreich als Fauvismus. Tatsächlich kommt es nicht von ungefähr, dass die 'Fauves' (die 'Wilden') um Henri Matisse und André Derain häufig als die "französischen Expressionisten" betitelt werden, denn die gestalterischen Mittel und die weltanschaulichen Hintergründe sind ungefähr deckungsgleich – mit dem Unterschied, dass es sich beim Expressionismus um eine gesellschaftskritische, international ausgerichtete Strömung handelt.

Einer der Gründe, weshalb die Unterscheidung zwischen Fauvismus und Expressionismus heute so schwer so treffen ist, ist die Tatsache, dass beide Stilrichtungen sich um 1905 in Abkehr von der impressionistischen Malerei entwickeln. Während der Fauvismus jedoch fast ausschließlich auf Frankreich beschränkt bleibt, wird von der expressionistischen Strömung insbesondere auch Deutschland erfasst, wo sich in den Künstlergruppierungen "Die Brücke" (Berlin) und der "Blaue Reiter" (München) eine eigene Ausprägung dieser Kunst ausbildet.

Nichtsdestotrotz liegen die Wurzeln beider Stilrichtungen in den postimpressionistischen Strömungen Frankreichs, die entweder (wie etwa Seurat oder Pissarro) die impressionistischen Techniken weiterentwickeln, wodurch u.a. der sog. 'Pointillismus' entsteht oder sich aber bewusst von den Gestaltungsmitteln eines Claude Monet oder Edgar Degas abwenden. Zu diesen Künstlern zählen Vincent van Gogh, Paul Gauguin und Henri de Toulouse-Lautrec, die in der Folge zu jeweils unterschiedlichen Stilen finden und u.a. Wegbereiter des Cloisonismus und Synthetismus werden.

Die Expressionisten: Progressiv & kämpferisch

Nachtcafé, Van Gogh

Das entscheidende historische Ereignis, das die Entstehung der expressiven Kunst aus der Kunst der Impression (= Impressionismus) in Gang setzt, ist der Erste Weltkrieg. Während die Impressionisten fortschrittsoptimistisch die Errungenschaften der Industriellen Revolution feierten und auf unzähligen Leinwänden die florierende Metropole Paris verherrlichten, ist diese jüngere Generation von einem tiefen Zweifel bzgl. des rasanten technischen Fortschritts geprägt. Die Expressionisten empfinden stark die 'Beschleunigung' der Welt und die Problematik des Individuums. Zudem lassen die umfassenden technischen Neuerungen Zweifel an der Wahrnehmungsfähigkeit des menschliches Auges aufkommen: Jene „neue Welt“ scheint den Malern ab 1900 nicht mehr auf Leinwand zu bannen zu sein.

Die Folge ist eine drastische Abkehr von den impressionistischen Gestaltungsmethoden zugunsten des Ausdrucks im Inneren: Das jeweilige Motiv wird nicht länger mimetisch abgebildet, sondern an Stelle seiner Gegenständlichkeit treten die Empfindungen des Künstlers. Im Gegensatz zu den Impressionisten strebt diese neue Generation nicht danach, den flüchtigen Augenblick festzuhalten, sondern ihre eigenen Sinneseindrücke und emotionalen Erlebnisse unmittelbar auf das Bild zu übertragen. Auf diese Weise wird das expressionistische Kunstwerk zum Medium einer Botschaft, die auch programmatisch festgeschrieben wird: Man wendet sich dezidiert gegen das Bürgertum und die sog. „akademische Kunst“ und orientiert sich stattdessen an der naiven Volkskunst zu, die weniger „verbildet“ erscheint. Mit der Abkehr von den traditionellen Gestaltungsmethoden geht auch die Reduktion der künstlerischen Mittel einher: Die Perspektiven verschwimmen, „Tiefe“ wird rein durch Farbe und Form aufgebaut.

Die Expressionisten streben keine mimetische Wiedergabe an, sondern verfremden bis zur vollständigen Deformation des Gegenstandes. Neben der „Brücke“, zu der u.a. Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und später auch Emil Nolde zählen, und dem „Blauen Reiter“ um Wassily Kandinsky und Franz Marc, formiert sich mit den "Peintre Maudits", zu denen u.a Amadeo Modigliani, Joan Miró und (zeitweise) Pablo Picasso zählen, auch in Frankreich eine explizit expressionistische Gruppierung.

Sehr bekannte expressionistische Arbeiten sind beispielsweise die „Großen blauen Pferde“ (1911) von Franz Marc und die „Dame in grüner Jacke“ (1913) von August Macke. Zu den frühesten als Expressionismus bezeichneten Werken zählen Van Goghs „Sternennacht“ von 1889 und das „Nachtcafé“ aus dem Jahre 1888 (siehe Bild).

Die Fauvisten: Plakativ & träumerisch

Natürlich sind die Übergänge zwischen Expressionismus und Fauvismus fließend, da viele Künstler (wie beispielsweise Amadeo Modigliani und Kees van Dongen) bereits damals mal zur einen, mal zur anderen Seite gezählt werden. Aus diesem Grund lassen sich die beiden Kunstrichtungen weniger durch ihre Mitglieder, als vielmehr durch ihr Programm bzw. ihr nicht vorhandenes Programm unterscheiden. Während die Expressionisten deutlich progressiv sind und auch eine „geistige Erneuerung“ der Kunst anstreben, hat die heterogene Gruppierung um Henri Matisse, die von dem Kunstkritiker Louis Vauxcelles 1905 mit dem Ausdruck „Fauves“ belegt wird, im Grunde kein Programm, da ein Zusammenschluss niemals vorgesehen war. Erst Jahre später äußert Matisse sich zu den theoretischen Grundlagen des Fauvismus – und diese sind deutlich „ätherischer“ als jene des (deutschen) Expressionismus:

„Wenn die Mittel so verbraucht sind [wie in der Malerei des 19. Jahrhunderts], dass ihre Aussagekraft erschöpft ist, dann muss man zu den Grundlagen zurückkehren.“ (Henri Matisse)

Das konstitutive Merkmal der fauvistischen Arbeiten ist demnach vor allem eines: Farbe – und zwar reine Farbe. Zwar bricht auch der Expressionismus mit der naturgetreuen Wiedergabe des Motivs, doch tut er es auf eine drastische, häufig gar naive Weise. In den Kunstwerken der Fauves hingegen wird die Farbe um ihrer Selbstwillen eingesetzt und mit einer aufwändigen geplanten Komposition verbunden, die man den Bildern selbst in der Regel nicht ansieht. Matisse spricht in diesem Zusammenhang von der „Reinheit der Mittel“, wie sie beispielsweise in seinem Akt „Blue Nude“ zu sehen ist. Anders als den Expressionisten geht es Matisse, Derain & Co. nicht um den Ausdruck des emotionalen Erlebens des Künstlers, sondern um den Ausdruck der Komposition: Die Fauves sehen das oberste Ziel darin, Farben, Konturen & Leinwand in Einklang zu bringen und ihnen eine „Stimme“ zu geben. Trotz dieser Unterschiede wird der Fauvismus häufig als eine „Teilströmung“ des internationalen Expressionismus bezeichnet.


Stilmerkmale des Fauvismus: Die "bunte" Kunst

"Sieh da, Donatello umgeben von wilden Bestien!" Als der Kunstkritiker Louis Vauxcelles im Jahre 1905 anlässlich einer Ausstellung im Pariser Salon d'Automne diesen Ausruf tut, gibt er damit einer Reihe von jungen Künstlern ihren Namen, die sich bis dahin gar nicht als Gruppe gesehen hatten: den "Fauves" (franz.: die 'Wilden'). Als Strömung der französischen Avantgarde besteht der Fauvismus zwischen 1904 und 1908 und leitet durch seine Abkehr vom Postimpressionismus den Übergang zur Klassischen Moderne ein. Zu den bekanntesten Vertretern zählen neben Henri Matisse vor allem Maurice de Vlaminck und André Derain, die sich ab 1907 selbst als die 'Fauves' bezeichnen und damit den Ausdruck Vauxcelles übernehmen.

Die beiden Wegbereiter des Fauvismus: Impressionismus und Expressionismus

Die klassische Moderne beginnt dort, wo die mimetische Wiedergabe der Wirklichkeit in den Hintergrund tritt und der Künstler erstmals eine Synthese dessen abbildet, was er sieht, fühlt und denkt. Mit dieser neuen Freiheit der Kunst wird um 1900 nicht nur der individuelle Ausdruck, sondern auch der Stil geboren. Mit der Loslösung von den Traditionen des akademischen Kunststils geht auch eine neue Freiheit der Form einher und die Künstler beginnen, mit Perspektive, Raum und Farbe zu experimentieren. Als erste große avantgardistische Strömung etablieren sich Ende des 19. Jahrhunderts die 'Impressionisten' um Claude Monet: Diese Künstler, die sich ganz der "Faszination des Augenblicks" verschreiben, lösen sich von dem gegenständlichen Wert ihrer Motive zugunsten des subjektiven Sinneseindrucks und versuchen, die Wirklichkeit in Licht und Farbe aufzulösen. Ihren Namen erhalten sie nach dem Gemälde "Impression: soleil levant" ('Impression, Sonnenaufgang) von Claude Monet.

Claude Monet, Jardin de Giverny, Impressionismus

Während die Impressionisten als mehrheitlich bürgerliche Kunst die Errungenschaften der Industriellen Revolution in farbenfrohen Momentaufnahmen feiern, entsteht etwa um 1905 eine neue Generation, die bereits durch die Schrecken des Ersten Weltkriegs geprägt ist: Die 'Expressionisten' brechen radikal mit dem naiven Farbrausch ihrer Vorgänger, indem sie nicht die blühende Metropole Paris, sondern das von Isolation und Anonymität bedrohte Individuum abzubilden suchen. Anders als der Impressionismus, der auf die Schönheit der äußeren Erscheinung setzt, geht es den Expressionisten um den Ausdruck im Inneren: Das Kunstwerk soll sich von seiner illusionistischen Abbildfunktion emanzipieren. Zu diesem Zweck werden die Regeln der formalen Malerei aufgelöst und die künstlerischen Mittel radikal reduziert. Neben den französischen "Peintre Maudits", zu denen u.a. Pablo Picasso, Joan Miró und Amadeo Modigliani zählen, formieren sich mit der „Brücke“ (Berlin) und dem „Blauen Reiter“ (München) auch in Deutschland zwei expressionistische Gruppierungen.

Der Fauvismus in der französischen Avantgarde

Henri Matisse, La Danse

Da der Fauvismus ebenfalls um 1904/05 entsteht, finden sich in den entsprechenden Arbeiten sowohl expressionistische als auch postimpressionistische Einflüsse. Die jungen Maler um Henri Matisse orientieren sich an der (rein aus Farbe aufgebauten) Perspektive Van Goghs und dem intensiven Farbreichtum Paul Gauguins, welcher sich, als Wegbereiter des Synthetismus, bereits deutlich vom Impressionismus abkehrt. Den stärksten postimpressionistischen Einfluss übt der 'Pointillismus' auf die Fauves aus: Dieser von Georges Seurat entwickelte Stil steigert bewusst die „Aufspaltung“ der Farbpalette in reine Farben, indem er sie ungemischt in winzigen Tupfern direkt auf der Leinwand aufbringt. Auf diese Weise entsteht (ähnlich wie bei Van Gogh) Perspektive aus reinem Farbauftrag. Vom 'Cloisonismus' übernehmen die Fauves die Abstraktion von Perspektive, Farbspiel und Detailreichtum, sowie die starke hell-dunkel Konturierung von Flächen im Stile der naiven Volkskunst. In dieser Reduktion auf elementare Formen findet sich bereits eine Vorstufe zum späteren Kubismus.

Anders jedoch als der Expressionismus, der über ein explizites ästhetisches Programm verfügt, kommt es in der heterogenen Gruppe der Fauves nicht zur Formulierung eines Manifests. Henri Matisse äußert sich erstmals Jahre nach der Auflösung der Gruppierung theoretisch zum Fauvismus und betont dabei insbesondere dessen experimentellen Charakter. Zwar bleiben die hauptsächlichen Motive traditionell Landschaften, Portraits und Stillleben, doch sieht sich die recht antiquierte Pariser Kulturszene plötzlich antinaturalistischer Farbgebung, die Vorder- und Hintergrund in einem wilden Farbrausch zur Fläche werden lässt. Insbesondere die "Académie des Beaux-Arts", welche einen strengen akademischen Kunststil fordert, lehnt diese 'Wildheiten' kategorisch ab.

Der Fokus der Fauves liegt auf Landschaftsbildern vom Süden Frankreichs, wie sie bereits Van Gogh bevorzugt gemalt hatte. Zu diesem Zweck unternehmen die Künstler um Matisse in wechselnden Gruppierung Sommer- und Herbstfahrten nach Saint-Tropez, Marseille und La Ciotat, wo sie häufig mit anderen Malern zusammenarbeiten. Bekannte, auf diesen Reisen entstandene, Bilder sind u.a. "Paysage du Midi" von Albert Marquet von 1906 und "Batelli nel porto" sowie „Mountains at Collioure“ von André Derain aus dem Jahre 1905. Ebenfalls in diesem Jahr entstehen die „Papageien-Tulpen“ von Matisse. Der Verzicht auf die traditionelle Perspektive ist in Matisse „Intérieur à la fougére noire“ sehr deutlich, auch wenn die räumliche Tiefe hier durchaus noch angedeutet wird. Gänzlich „flächig“ wirken hingegen La Danse“ von 1909, das Sie auch online in unserer Galerie finden.


'Gothic Revival': Stil und Merkmale der Neugotik

Was haben die Wiener Votivkirche, das Budapester Parlament und das Neue Rathaus in München gemeinsam? Richtig: Sie alle sehen mit ihren Rippengewölben und Spitzbögen viel "älter" aus als sie sind. Allesamt zwischen 1830 und 1900 entstanden, sind sie Beispiele für den Historismus des 19. Jahrhunderts, der sich an den Architektur- und Kunststilen früherer Jahrhunderte orientiert. Im Falle von Kirche, Parlament und Rathaus handelt es sich bei dem kopierten Stil um die "Gotik", welche im 18. und 19. Jahrhundert zunächst in England und später auch in Kontinentaleuropa wieder aufgegriffen wird. Ausgehend von dieser Epoche, trägt ihre Nachahmung den Namen "Neugotik" (dt.) bzw. "Gothic Revival" (engl.).

Vom Stephansdom bis Notre Dame – die Gotik

Bei der Gotik handelt es sich um eine europäische Kunst- und Architekturepoche, die um 1140 in Frankreich, in der Region um Paris entsteht, und die noch eng mit der Romanik verknüpft ist. Die einzelnen Phasen von Früh-, Hoch- und Spätgotik prägen sich in den unterschiedlichen Ländern zu jeweils unterschiedlichen Zeitpunkten aus; spätestens ab 1550 gilt die Gotik jedoch als beendet und wird (zunächst in Italien und Frankreich) durch die Renaissance "abgelöst". Bekannt ist diese Epoche heute vor allem für ihre herausragenden architektonischen Schöpfungen, unter denen das "Meisterstück" die gotische Kathedrale ist. In der übrigen bildenden Kunst hingegen ist der gotische Stil nicht eindeutig abgrenzbar.

Stephansdom in Wien

Dennis Jarvis - Austria-00040 - Last View of St. Stephen's Cathedral – flickr.com

Die Fokussierung der Gotik auf den sakralen Bau erklärt sich daraus, dass es sich um eine Epoche strenger christlicher Werte handelt, in der es Aufgabe von Kunst und Architektur ist, die christliche Ideenwelt materiell zu manifestieren. Die Kathedrale gilt als Meisterwerk der Gotik, da sie alle künstlerischen Schöpfungen des Mittelalters in den Bereichen Architektur, Malerei, filigraner Glaskunst und Plastik in sich vereint. Die gotische Kathedrale markiert den Übergang zu einer neuen Art des Kirchenraums, da sie die romanischen Rundbögen und Tonnengewölbe durch eine filigranere Bauweise ablöst, bei der durch Kreuzgewölbe und Spitzbögen höheres Bauen möglich wird. Während die Wände der romanischen Kirchen bis zum Ansatz des Daches in der Regel geschlossen waren, werden sie in der Gotik durch Fensterreihen durchbrochen, wodurch der Kirchenraum erstmals "lichtdurchflutet" wird.

Insgesamt ist die gotische Bauweise deutlich "schmuckvoller" als ihre Vorgänger: Durch die Verwendung von Strebe- und Bündelpfeilern, die das Gewicht des Gewölbes tragen, werden die Wände statisch quasi überflüssig. Die großzügige Raumaufteilung wird optisch durch Rippen, Fensterrosen und Giebel unterstützt, während der Chor in der Regel um einen Kapellenkranz erweitert wird. Bekannte gotische Sakaralbauten sind neben dem Stephansdom in Wien (siehe Foto) und der Kathedrale Notre-Dame in Paris außerdem die Sainte-Chapelle (ebenfalls in Paris), die Liebfrauenkirche in Trier, der Straßburger Münster und der Kölner Dom. Das umfassende Bauprogramm, das sich um 1830 dank des Gothic Revivals entwickelt, knüpft an ein idealisiertes Mittelalterbild an und strebt danach, die Geisteskultur jener Zeit für die eigene Epoche nutzbar zu machen.

Neugotik oder 'Gothic Revival': Sehnsucht nach dem Mittelalter

Die Wiederaufnahme der Gotik beginnt etwa um 1750 mit dem Bau von Landhäusern wie beispielsweise "Strawberry Hill" im englischen Twickenham. Von England weitet sich die Neugotik rasch auf Kontinentaleuropa aus, wo mit dem Nauener Tor (Potsdam) auf Anweisung Friedrich des Großen auch das erste neugotische Bauwerk in Deutschland entsteht. Während das Gothic Revival schon in England von einem historistischen Ideal getragen ist, welches die Architektur vergangener Zeiten zum neuen Fixpunkt macht, verbindet sich die Neugotik in Deutschland mit einem spezifischen Nationalitätsbewusstsein, das insbesondere das deutsche Kaiserreich zum Sehnsuchtsbild macht. In den 1830er Jahren entsteht in England das – bis heute – repräsentativste Gebäude in neugotischem Stil: das Londoner Parlament, geplant von Sir Charles Barry.

Für das Gothic Revival bleibt es allerdings nicht bei der Nachahmung von Spitzbögen und Strebefeilern: Man versucht, die Formensprache eines idealisierten (!) Mittelalterbildes auf die zeitgenössische Architektur zu übertragen, wobei häufig der Symbolcharakter der gotischen Formenlehre außer Acht gelassen wird. Aus diesem Grund finden sich viele Formenelemente (wie beispielsweise die Spitzbögen) an Rathäusern, Schulen oder Bahnhöfen des 19. Jahrhunderts, obgleich diese ursprünglich den Sakralbauten vorbehalten waren. Ähnliches gilt für die Handwerkskunst und die Glasmalerei dieser Zeit, die sich zwar am gotischen Vorbild orientieren, die Darstellung jedoch "modernisieren". Aus diesem Grund wirken viele neugotische Bauten deutlich "verspielter" (bisweilen verschwimmt auch die Grenze zum Kitsch) als ihre (echt-)gotischen Vorbilder.

Bekannte neugotische Bauten sind neben der Wiener Votivkirche, dem Münchner Rathaus und dem Budapester Parlament außerdem das Wiener Rathaus, die Herz-Jesu-Kirche in Graz, St. Paul in München und das Rijksmuseum ('Reichsmuseum') Amsterdam.


Jeff Koons: Von Ballon-Hunden und Neon-Tulpen

Seine Kunstwerke sind nicht nur die teuersten, sondern zur Zeit wohl auch die meistdiskutierten der Welt: Der US-amerikanische Künstler Jeff Koons wandelt wie kein anderer zwischen Kunst und Kitsch, indem er nicht nur mit den Zeugnissen, sondern auch mit den Methoden der Konsumkultur arbeitet. Während die Kunstsammler sich gegenseitig für funkelnde Herzen, quietschbunte Häschen und polierte Hundewelpen überbieten, werden auch immer wieder Stimmen laut, die in Bezug auf Jeff Koons die älteste Frage des Kunstgewerbes stellen: Was macht Kunst eigentlich zu Kunst?

Glänzende Ballon-Hunde für die Superreichen?

Balllon Dog, Jeff Koons

Der teuerste Künstler der Welt arbeitet mit allem, was die schöne bunte Welt des Konsums zu bieten hat. Neben gewöhnlichen Alltagsgegenständen wie Staubsaugern und Poliermaschinen, die er 1979 (fabrikneu) beleuchtet hinter Plexiglas ausstellt, arbeitet Koon im Sinne des "Ready-made" auch häufig mit Konsumgütern, die zwar nicht künstlerisch bearbeitet, jedoch in gewisser Weise verfremdet werden. So erregte beispielsweise seine Serie von, in Wassertanks schwebenden Basketballbällen, für die er unter anderem mit namhaften Physikern zusammenarbeitete, in den Jahren 1981 bis 1985 die internationale Aufmerksamkeit. Was die einen schlicht langweilig, die anderen hingegen amüsant finden, rückt spätestens 2013 in den Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit, als Koons' glänzend polierte Skulptur "Balloon Dogs" über das Auktionshaus Christie's sagenhafte 58,4 Millionen US-Dollar erzielt (siehe Foto).

Flower Puppy, Jeff Koons

1992 erschafft Koon, der von Malerei über Objekt- und Prozesskunst in so ziemlich allen künstlerischen Disziplinen bewandert ist, das Werk "Puppy" – einen zwölf Meter hohen Hundewelpen, gefertigt aus gut 17.000 Blumen, für die neunte documenta. Eine kleinere Ausgabe dieses Monumentalwerks können Sie als "Flower Puppy" auch hier in unserer Galerie vorfinden (siehe Bild).

Wenn der Alltag Kunst wird

Kunst ist eine Frage des Geschmacks - und spätestens als die 1960er Jahre alle Tabus brachen und mit den neuen Formen der "Konzeptkunst" die traditionelle Wertehierarchie des akademisch geprägten Kunstbegriffs auf den Kopf stellten, kann alles Kunst sein – wenn es denn eine Botschaft vermittelt. Insbesondere die 60er und 70er Jahre sind künstlerisch extrem gesellschaftskritisch, indem Stilrichtungen wie das Happening, die Objekt- oder Prozesskunst das Publikum in die Gestaltung einbeziehen und ihn durch das Moment des Zufalls und bisweilen auch durch schiere Provokation dazu zwingen, seine Denkstrukturen zu hinterfragen.

Geradezu wörtlich abgebildet ist dieses Anliegen in dem Titel der 1966 in New York stattfindenden Ausstellung „Working Drawings and Other Visible Things on Paper Not Necessarily Meant to Be Viewed as Art“, bei der erstmals nicht fertige Kunstobjekte, sondern Kunstkonzeptionen vorgeführt werden. Während dieser Zeit wird die Kunst zu einem wirkungsmächtigen gesellschaftskritischen Medium – und sie bleibt es bis ins 21. Jahrhundert hinein. Noch in den 1990er Jahren überrascht der Schweizer Künstler Daniel Spoerri mit seiner sogenannten "Eat Art", mit der er das Publikum dazu bewegen möchte, den 'Blick der Gewohnheit' abzulegen und sich die Frage zu stellen, inwiefern unsere Wahrnehmung durch Vorannahmen und Vorurteile geprägt ist.

Jeff Koons: Die neue Generation der Konzeptkunst

Obgleich er mit Gegenständen der Konsumkultur arbeitet und diese durch verfremdete Darstellung in gewisser Weise ironisiert, haben die Kunstwerke von Jeff Koons keinen expliziten gesellschaftskritischen Anspruch – böse Zungen bezeichnen sie sogar als "großformatige Nichtigkeiten". Er provoziert nicht durch eine Ästhetik des Hässlichen wie etwa Damien Hirst oder durch die unverblümte Darstellung der Wegwerfgesellschaft wie Armand Pierre Fernandez (genannt "Arman"): Koons Kunst ist provozierend, weil sie teuer ist. So teuer, dass Kunstwerk und Preis in keinem rationalen Verhältnis mehr zueinander stehen.

Doch die mannshohen Äffchen, funkelnden Welpen und glänzenden Tulpensträuße, die für horrende Summen über Auktionstische in der ganzen Welt gehen, zeigen noch etwas anderes als materiellen Maximalismus: Sie zeigen, dass unser Kunstbegriff sich wandelt. Und sie zeigen, dass Kunst stets ein Spiegel jener Gesellschaft ist, in der sie entsteht. So gesehen ist die Aussage, die Koons Werke vermitteln, genau das: keine Aussage. Seine Arbeiten sind der Spiegel einer Welt, die in Konsumgütern erstickt und trotzdem niemals "genug" hat. Und sie sind Spiegel einer Welt, in der die einen immer weniger haben, und die anderen so viel, dass sie nicht mehr wissen, was sie mit ihrem Reichtum machen sollen. So ist die Aussage der Koon'schen Kunst, die eigentlich keine ist, ihre vollkommene Absurdität – bunt verpackt in metallisch schimmernden Ballon-Hunden.


Pop Art in 3D: Farbenfroh & lebendig

Eine Blondine mit plakativer Sprechblase und eine neun-köpfige Marilyn in unterschiedlichen Schattierungen – DAS ist Pop Art. Als Krönung der avantgardistischen Strömungen entsteht die sog. "Popular Art" Mitte der 1950er Jahre zeitgleich in den USA und in England und erobert innerhalb kürzester Zeit auch das restliche Europa. Die Bewegung wendet sich dezidiert den 'niederen' Motiven des Alltags zu, indem sie die Welt der Massenmedien, des Konsums und der allgegenwärtigen Werbebotschaften zum Fixpunkt der künstlerischen Tätigkeit macht. Ein Vertreter der zeitgenössischen Pop Art ist der US-amerikanische Künstler Charles Fazzino.

Pop Art als "Anti-Kunst"

Wie der Name schon sagt, versteht die 'Popular Art' sich als Kunst für die Massen. Das heißt, dass nicht nur das Pop-Art-Kunstwerk selbst sich (akademisch betrachtet) durch relative Anspruchslosigkeit auszeichnet, sondern dass auch die Motive aus dem Bereich des Trivialen stammen: Pop Art zeigt die Welt von Konsumwahn und Massenmedien, von Werbebotschaften und kapitalistischem Wettbewerbsgeist. Als solche kontrastiert sie in besonderer Weise die Abstrakte Kunst, wie sie mit dem analytischen und synthetischen Kubismus, Konstruktivismus und Suprematismus, dem 'Bauhaus', der "Straight Photography" und dem abstrakten Expressionismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden war.

Gegen diese Richtungen, die u.a. durch die kunsttheoretischen Betrachtungen von Künstlern wie Wassily Kandisky in dem Ruf einer besonders "intellektuellen" Kunst stehen, formiert sich die Popular Art als eine bewusste Anti-Kunst. Gestalterisch schlägt sich dies durch eine meist fotorealistische Darstellung, klar definierte Strukturen und extreme Plakativität nieder. Darüber hinaus arbeiten viele Pop-Art-Künstler in Comic-Manier mit schwarzen Umrandungen, sog. "Outlines" und verwenden neben den Unbunten ausschließlich die Primärfarben. Während die frühe Pop Art die Welt des wiedererlangten Wohlstands nach dem Zweiten Weltkrieg preist, arbeiten die späteren Popkünstler sozialkritischer: Jüngere Werke setzen sich mit Problematiken wie den Rassenunruhen, dem Vietnamkrieg und dem steigenden Drogenkonsum in den USA während der 1960er Jahre auseinander, welche kritisch reflektiert werden.

Roy Lichtenstein – Thinking of Him

Die "Helden" der Pop Art

Als Begründer der Pop Art wird häufig der britische Künstler Richard Hamilton genannt, dessen Collage „Just What Is It That Makes Today’s Homes So Different, So Appealing?“ aus dem Jahre 1956 als erstes Werk gilt, das alle Merkmale der Popular Art in sich vereint. Das Werk ist Grundlage für das Plakat zur Ausstellung "This is Tomorrow", die im gleichen Jahr in der Whitechapel Art Gallery in London stattfindet. Hamilton seines Zeichens ist Mitglied der sog. "Independent Group", die sich vier Jahre zuvor am Londonder "Institute of Contemporary Art" formiert hatte und als erste Künstlergruppe Großbritanniens die Nutzbarmachung der Trivialkultur für die Kunst forderte.

"Pop ist love, denn es akzeptiert alles ... Pop ist die Bombe werfen. Es ist der amerikanische Traum, optimistisch, generös und naiv ..."

In den USA ist die Popular Art von Beginn an deutlich kritischer und weniger theoretisch orientiert, da sie als direkte (ablehnende) Reaktion auf den abstrakten Expressionismus der späten 40er Jahre entsteht. Als Wegbereiter gelten hier u.a. Richard Lindner, der aus der 'Neuen Sachlichkeit' kommt und deren grotesk-entlarvenden Elemente mit der modernen Werbesprache verbindet. Als Pop Art-typisch gelten auch viele Werke von Jasper Johns, dessen Bild „Target“ es in unserer Galerie zu entdecken gibt. Die bekanntesten frühen amerikanischen Popkünstler sind neben Robert Rauschenberg sicher Roy Lichtenstein und Andy Warhol, der für seine Siebdrucke bekannt geworden ist. Seine Marilyn-Serie (siehe Bild), die zu den bekanntesten Werken Warhols zählt, finden Sie auch in unserer Kunstgalerie online!

Andy Warhol – Marilyn

Neue Zeit und neue Ausdrucksform: Charles Fazzino

Der amerikanische Künstler Charles Fazzino hat im Bereich Pop Art bereits mit allen Mitteln gearbeitet, die dem Dogma der Bewegung entsprechen – darunter etwa Lithographie, Radierung und überdimensionierte Acrylbilder. Mit seiner 3D-Technik jedoch hat er die Kunstrichtung vor rund dreißig Jahren im wahrsten Sinne des Wortes in eine neue Zeit geführt, indem er der ursprünglich plakativen und eindimensionalen Gestaltungsweise eine neue räumliche Perspektive entgegensetzte. Die Tiefe in seinen Werken wird durch extremen Detailreichtum und starke Farbkontraste kreiert, durch welche mehrere Bildebenen gleichzeitig dargestellt werden können.

Charles Fazzino – Eating New York

Wie auch bei den Pop Art-Künstlern der ersten Stunde ist Fazzinos bevorzugtes Motiv das quirlige und bunte Leben im urbanen Raum. In Fazzinos Fall insbesondere das Leben in seiner Heimatstadt New York. Dabei fängt er stets verschiedene Aspekte des Lebens in der amerikanischen Großstadt ein, wie beispielsweise in seinem Bild "Eating New York", das Sie auch bei uns in der Galerie finden (siehe Bild). Zu Fazzinos Markenzeichen zählt der Apfel, der sich nicht nur (mehr oder weniger versteckt) in vielen seiner New York-Bilder findet, sondern manchmal auch das hauptsächliche Motiv bildet – wie beispielsweise in "The Apple is Manhattan".


Akkumulation in der Kunst: Gestaltungsprinzip der Objektkunst

"Es ist alt, ich brauche ein neues!" Die Wegwerf-Mentalität der Konsumgesellschaft ist in unserer Zeit bereits zum Topos verkommen. Während wir die 1,3 Milliarden Tonnen Müll, die Europa jährlich erzeugt, mit Augenzwinkern und Schulterzucken betrachten, sind die Anfänge dieser Entwicklung in den 1960er und 70er Jahren jedoch extrem kritisch beobachtet worden. Ihren künstlerischen Niederschlag findet diese Kritik in den avantgardistischen Bewegungen, die in dieser Zeit immer mehr zur Sozialkritik avancieren und mit der "Akkumulation" ein Gestaltungsprinzip der Objektkunst prägen, das die moderne Wegwerf-Gesellschaft zugleich ironisiert und kritisch hinterfragt.

Objektkunst – Alltagsgegenstände, die den Alltag hinterfragen

Nachdem Kubismus, Dadaismus und Surrealismus bereits jede Mimesis aus der Kunst verabschiedet und mit den traditionellen Gestaltungsmitteln gebrochen hatten, schockiert und polarisiert der amerikanisch-französische Künstler Marcel Duchamp im Jahre 1913 mit dem ersten sog. "Ready-made" (franz. 'Objet trouvé'): Einem Fahrrad-Rad, das zuvor keiner künstlerischen Bearbeitung unterzogen worden war, sondern vom Künstler schlichtweg "vorgefunden" und als Kunst deklariert wurde.

Aus dieser frühen Integration von Alltagsgegenständen in den künstlerischen Reflexionsprozess entwickelt sich nach und nach die Objektkunst, die ebenfalls mit Alltags- und Nutzgegenständen arbeitet, die unverändert oder zum Teil auch ästhetisch verfremdet zu Kunstobjekten erklärt und (zunächst) einzeln ausgestellt werden. Ein frühes bekanntes Beispiel ist der "Stierschädel" von Pablo Picasso aus dem Jahre 1942.

Während die Objektkünstler in ihrer frühen Phase noch mit einzelnen Fundstücken und Objekten arbeiten, entwickelt sich später das Prinzip der "Assemblage", bei welchem mehrere Objekte kombiniert ausgestellt werden. In den 1960er Jahren schließlich erreicht die Bewegung ihre monumentalsten Ausgestaltungen, indem ganze Räume und Gebäude (von den Künstlern "Environments" genannt) (um)gestaltet werden. Neben den berühmten Rauminstallationen von Joseph Beuys und den verhüllten Bauten Christos schafft auch der schweizerische Künstler Jean Tinguely beeindruckende Objekte, die vor allem die Rolle der Technik im Alltag hinterfragen. Seine funktionalen Maschinenplastiken finden sich häufig in Kombination mit den bunten Figuren seiner Lebensgefährtin Niki de Saint Phalle. Ein gemeinsames Projekt ist beispielsweise der "Stravinski-Brunnen" in Paris.

Akkumulation – ein Haufen 'Müll' im Glaskasten

Während die Objektkunst Alltags- und Nutzgegenstände auf ihre ästhetische Qualität hin befragt und somit zugleich die Frage stellt, was die Kunst eigentlich zur Kunst macht und ob sie bestimmten Regeln zu folgen und gewisse Kriterien zu erfüllen hat, ist der Ansatz des akkumulativen Gestaltungsprinzips deutlich praktischer – und deutlich plakativer. Der Namensgeber der Bewegung, der französische Künstler setzt nicht am Anfang des Konsumkreislaufs an, wie viele seiner Kollegen, sondern am Ende: Seit den 1950er Jahren sammelt Arman weggeworfene Gegenstände, die er 1960 erstmals ausstellt, indem er die Galerie „Iris Clert“ in Paris bis unter die Decke mit dem Unrat anfüllen lässt. Die ersten Publikumsreaktionen fallen damals entsprechend heftig aus und es geht eine Welle der Empörung durch Paris.

In diese Zeit fallen auch Armans erste „Akkumulationen“, für die er eine variierende Anzahl gleichartiger Nutzgegenstände im wahrsten Sinne des Wortes „anhäuft“ (lat. accumulo = 'anhäufen') und in Plexiglashüllen oder Glaskästen ausstellt. Ein frühes Bild ist die „Accumulation des Brocs“ (Anhäufung von Kannen) aus dem Jahre 1961 mit 30 Kannen. Durch dieses Arrangement wird der Alltagsgegenstand nicht nur seiner primären Funktion entkleidet, indem er zum Kunstobjekt wird, sondern der Betrachter wird zugleich auf die individuellen Eigenschaften der – an und für sich – identischen Gegenstände aufmerksam gemacht. Auf diese Weise verleiht Arman jenen Gegenständen, die normalerweise als „Müll“ am Ende des Zivilisationsprozesses stehen, ästhetischen Wert und macht darüber hinaus deutlich, wie sehr jedes einzelne Glied der Gesellschaft vom Konsum okkupiert ist.

Doch nicht nur Arman arbeitet im Paris der 1960er Jahre mit der Akkumulation – sie ist auch festes Gestaltungsprinzip des „Nouveau Réalisme“ ('Neuer Realismus'), wie er im Oktober 1960 durch eine kleine Künstlergruppe um Arman, Yves Klein und den französischen Kunstkritiker Pierre Restany ins Leben gerufen wird. Ziel des Neuen Realismus, der auch Verbindungen zur Düsseldorfer Künstlergruppe „ZERO“ um Heinz Mack und Günther Uecker unterhält, ist eine „Sprengung“ der traditionellen Wertehierarchie in der Bildenden Kunst.

Yves Klein - Anthropometrie

Durch die Integration von Technik und neuartigen Materialien soll die tägliche Realität, der Alltag der 'Neuen Zeit' abgebildet werden. Ein wichtiger Aspekt der programmatischen Bewegung ist hierbei die 'Ästhetik des Hässlichen'. Neben Arman und Yves Klein (siehe Bild: Anthropometrie) gehören auch Daniel Spoerri, Schöpfer der sog. „Eat Art“, Jean Tinguely und (später) Niki de Saint Phalle zu den Nouveau Réalistes.


Postimpressionismus – Kunststile und Künstler auf dem Weg in die Moderne

Alle schauen auf Paris: Während man im restlichen Europa noch immer den Tod der Geschichte verkündet und die Wirklichkeit in Form und Farbe auflöst, etablieren sich in Frankreich zwischen 1880 und 1905 schon wieder neue künstlerische Formen, die den Impressionismus zum Teil weiterentwickeln, sich zum Teil aber auch bewusst von ihm abgrenzen. Die Stile, die in dieser Zeit entstehen, werden unter dem Begriff "Post-, Nach- oder Spätimpressionismus" zusammengefasst, da sie alle in Abhängigkeit von der durch Claude Monet geprägten impressionistischen Malweise entstehen.

Während der Spätimpressionismus (häufig auch als Neoimpressionismus bezeichnet) sich in starker Abhängigkeit zur impressionistischen Malerei entwickelt und deren Techniken, beispielsweise durch den von Georges Seurat geprägten Pointillismus, lediglich weiterentwickelt, zeichnet sich der Post- bzw. Nachimpressionismus vor allem durch die dezidierte Überwindung des impressionistischen Dogmas aus, ohne jedoch seinerseits zu einem homogenen ästhetischen Stil zu finden. Zu den Künstlern, die die Überwindung des Impressionismus in Gang setzen und dadurch den entscheidenden Schritt in die künstlerische 'Moderne' wagen, zählen u.a.:

Vincent van Gogh,

Paul Cézanne und

Paul Gauguin.

In den Spuren des Impressionismus: Der Pointillismus (Divisionismus)

Während sich die impressionistische Malweise betont subjektiven Sinneseindrücken hingibt und versucht, Objekte in Licht aufzulösen und mit Farbe auf die Leinwand zu übertragen, geht der Spätimpressionismus noch darüber hinaus, indem er die "Aufspaltung" der Farbpalette bewusst steigert. Exemplarisch für diese Technik steht der französische Maler Georges Seurat, welcher die Farben ungemischt als winzig kleine "Tupfer" auf die Leinwand aufbringt und auf diese Weise Perspektive und Tiefe durch reinen Farbauftrag entstehen lässt. Ein bekanntes Beispiel dieses "Pointillismus" (auch "Divisionismus" genannt) ist das Bild „Sonntag Nachmittag“ auf der Grande Jatte um 1885. Ein weiterer Vertreter des Pointillismus ist Paul Signac, der später und gemeinsam mit Camille Pissarro auch politisch aktiv wird.

Wie schon die ersten impressionistischen Künstler wenden sich auch die Vertreter der spät- und nachimpressionistischen Strömungen dezidiert gegen die recht strenge und reaktionäre Kunstauffassung in Paris um 1900, welche 'Kunst' und Kultur generell zentralistisch zu organisieren sucht. Die Wertmaßstäbe werden in dieser Zeit hauptsächlich durch die "Académie des Beaux-Arts" festgelegt, welche einen strengen akademischen Kunststil fordert und Ausstellungen in der Regel auf den "Salon de Paris" im Louvre eingrenzt.

Ein Künstler, der in besonderem Maße gegen das strikte Regelwerk des Pariser "Salons" aufbegehrt, ist Paul Cézanne: Zu Beginn noch stark impressionistisch geprägt, abstrahiert er seine Motive immer mehr zugunsten von klaren und reinen farblichen Strukturen. Als einer der ersten begreift Cézanne die Leinwand als eine "Welt mit eigenen Gesetzen", die nicht von der Gesellschaft usurpiert werden dürfe. Aus dieser Überzeugung heraus formiert sich 1884 mit der "Société des artistesindepéndants" eine Gesellschaft unabhängiger Künstler, die sich bewusst gegen den akademischen Kunststil stellt.

Auf neuen Wegen: Cloisonismus, Synthetismus und expressive Kunst

Während Seurat, Signac und Cézanne die impressionistischen Techniken weiterentwickeln, grenzen sich Künstler wie Vincent van Gogh und Paul Gauguin bewusst davon ab, da der Impressionismus ihnen zu "bürgerlich" und zu ästhetizistisch ist. Van Gogh übernimmt das impressionistische Farbspiel, geht jedoch zu einer deutlich expressiveren Darstellungsweise über, indem er die eigenen Emotionen über das Motiv stellt. So entstehen Werke von teils bedrückender Intensität mit charakteristischem Van Gogh'schen Pinselstrich wie z.B. "Kornfeld mit Krähen" aus dem Jahre 1890, das es auch bei uns in der Galerie zu entdecken gibt.

Edvard Munch – der Schrei

Um 1886 findet sich mit der "Schule von Pont-Aven", einer Gemeinde im Westen von Frankreich, eine Reihe von Künstlern zusammen, die den sog. "Synthetismus" als Gegenentwurf zu Impressionismus und Pointillismus entwickeln. Ziel der Gruppe um Paul Gauguin ist es, die Wirklichkeit mit den eigenen Emotionen und ästhetischem Regelwerk zu verbinden und die "Synthese" dieser drei Gesichtspunkte aus der Erinnerung heraus auf die Leinwand zu bringen. Ein weiterer Stil, der hier geprägt wird, ist der sog. "Cloisonismus", der eine Abstraktion von Perspektive, Farbspiel und Detailreichtum mit sich bringt. Der Cloisonismus ist auch der Volkskunst insofern verwandt, als dass er mit starker Konturierung der Flächen und extremen Hell-Dunkel-Werten arbeitet. In seiner Reduktion auf elementare Formen ist der Cloisonismus als eine Art Vorläufer des Kubismus zu verstehen.

Paul Gauguin selbst versteht seine Arbeit als eine Verbindung von Synthetismus und Cloisonismus und bezeichnet sie als "symbolisch". Mit dem "Symbolismus" beginnt ebenfalls um 1880 eine Stilrichtung, die sich nicht mehrheitlich auf Frankreich beschränkt, sondern Vertreter in ganz Europa findet. Eines der berühmtesten Beispiele ist hier "Der Schrei" des norwegischen Malers Edvard Munch aus dem Jahre 1893, was auch bei uns in der Galerie erhältlich ist (siehe Bild).


Die urbane "Underground" Kunstszene

Provokation, Rebellion & der Wunsch nach Unabhängigkeit: Die Beweggründe für Underground-Künstlerinnen und Künstler sind auf der ganzen Welt die gleichen – wenn sie auch ganz unterschiedliche Ausdrucksformen finden, um sich Gehör zu verschaffen. Wie keine zweite Kunstform ist diese 'Kunst am Rande der Gesellschaft' mit dem urbanen Raum der Großstadt verknüpft: Sie spielt mit den Möglichkeiten, die die Stadt ihr liefert, nutzt sie jedoch auch, um Missstände anzuprangern und alternative Wirklichkeiten zu entwerfen. Dabei prägt jede Underground-Kunst ihre Stadt in besonderer Weise – und auch jede Stadt bringt ihre eigene Underground-Szene hervor, die nicht kommerzielle und anti-kapitalistische Kunst schafft.

Polarisation und Exklusivität: Das Selbstverständnis des Undergrounds

Die Kunst des 'Untergrunds' definiert sich selbst in klarer Trennung vom sog. "Mainstream", welcher Kunst "für die Masse", d.h. Kunst nach allgemein etablierten Maßstäben bezeichnet. Die Underground-Kunstszene, in der so gut wie alle Sparten (von der Musik über Literatur bis hin zu Bildender Kunst) vertreten sind, zeichnet sich im Gegensatz zum Mainstream durch eine kleinere Anhängerschaft und unabhängige Produktion aus. Jede neue Underground-Erscheinung formiert sich zunächst als Kultur einer Minderheit, wird im Laufe der Zeit jedoch häufig zum Teil der "allgemeinen" Kultur, indem sich die Anhängerschaft vergrößert, sich ein entsprechender Trend entwickelt oder sie von einer weiteren Neuerscheinung im Untergrund abgelöst wird. Grundsätzlich gilt: Wenn es alle kennen und alle mögen, ist es kein 'Underground' mehr.

Anders als der Name vielleicht vermuten lässt, will Undergroundkunst durchaus gesehen werden. Sie mag am Rande der Gesellschaft entstehen, hat von dort jedoch die optimale Perspektive, um anzuprangern, was sie sieht: Nur wenn der Künstler außerhalb der Gesellschaft steht, kann er oder sie wahrhaft gesellschaftskritisch arbeiten. Aus diesem Grund ist eines der wesentlichen Merkmale der Underground-Kunstszene das Polarisieren durch Provokation: Nicht selten wird der 'kommerziellen' Kunst auf öffentlich zugänglichen Ausstellungen oder groß angelegten Demonstrationen die künstlerische Qualität abgesprochen, indem sie als "Massenware" mit oftmals reaktionärem Inhalt diffamiert wird.

Streetart, Graffiti und Comics: Die Spielarten der Underground-Kunst

Wenn sich Kunst am Rande der Gesellschaft bewegt, so bedeutet dies nicht, dass sie nicht vielfältige Formen des Ausdrucks entwickeln kann. Es ist sogar das Gegenteil der Fall: Je weiter sich die Kunst von der sog. "Hochkultur" entfernt und desto mehr traditionelle Grenzen der Gestaltung sie sprengt, desto bunter und heterogener werden ihre Spielarten. Neben dem musikalischen Underground ist auch die literarische Underground-Szene extrem virulent und drückt sich vor allem in der Form des Comics bzw. der "Graphic Novel" und sog. "Fanzines" (Magazinen von Fans für Fans) aus. Ebenfalls als Erscheinung des Undergrounds, die sich vor allem in den letzten zehn Jahren immer größerer Beliebtheit in beinahe allen Großstädten der Welt erfreut, gilt der sog. "Poetry Slam", bei dem selbst verfasste Texte innerhalb kürzester Zeit einem kleinen Publikum dargeboten werden.

GB 1984 - Andy Council @ UPfest 2013, Bristol – flickr.com

In der Bildenden Underground-Kunst hat sich mit der "Urban Art" eine Kunst manifestiert, die in den Dialog mit ihrer Stadt (siehe Bild) tritt.

Als Urban Art zählen sowohl:

Graffitis,

Streetart und

Stickerkunst

als auch das weniger bekannte "Adbusting" (das Überkleben und Verfremden von Werbeplakaten im öffentlichen Raum) und das sog. "Urban - " oder "Guerilla Knitting“, bei dem Gegenstände im öffentlichen Raum (Parkbänke, Bäume, Fahrradständer etc.) durch Stricken verfremdet werden. Hierfür werden entweder verschieden große gestrickte Accessoires angebracht oder auch ganze „Stadtmöbel“ eingestrickt. Das Urban Knitting wird häufig als eine spezifisch weibliche Form der Urban Art betrachtet. So wurde anlässlich des Frauentages 2011 die Wiener Ringstraße im Rahmen einer Demonstration mit zahlreichen gestrickten Kunstwerken versehen, die jedoch (obgleich sie genehmigt waren) noch am gleichen Tag von der Straßenreinigung entfernt wurden.

Eine weitere Underground-Erscheinung ist die sog. "Demoszene", bei der es sich um einen Zweig der Computerszene der 1980er Jahre handelt: Hier werden mithilfe von Computerprogrammen sog. "Demos" entwickelt, bei denen es sich um (in der Regel musikalisch unterlegte) Digitale animierte Kunst handelt. Als Plattform für ihre nicht kommerzielle und anti-kapitalistische Kunst dienen dem Unterground (neben öffentlichen Flächen, sofern es sich um Streetart handelt) verschiedene Projekträume, sog. "Offspaces": Diese können sowohl Ateliers als auch Lagerräume oder sogar Privatwohnungen sein, die im Gegensatz zu kommerziellen Ausstellungsräumen und Galerien kostengünstig und flexibler in der Gestaltung sind.

Underground und Mainstream: Ein Teufelskreis

Jede Großstadt hat ihre eigene Underground-Kunstszene. Ganz gleich ob London, Paris, New York oder Berlin – überall rebellieren (junge) Menschen gegen die tradierten und reglementierten künstlerischen Normen, indem sie provozieren und etwas "Neues" erschaffen, worüber alle sprechen. Doch genau jene Aufmerksamkeit, die die Künstler mit ihren Aktionen und Kunstwerken erreichen möchten, ist häufig auch ihr größtes Problem – denn wann immer etwas die Aufmerksamkeit auf sich zieht, sind die großen Konzerne nicht weit und versuchen, das neue "Phänomen" für sich nutzbar zu machen. So setzen bereits viele Hersteller Techniken der Streetart ein, um für eigene Zwecke zu werben.