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Experimentelle Stilrichtung der Fotografie: "Das neue Sehen"

Zwischen Vogelsicht, Close-up und unwirklichen Perspektiven: In den 1920er Jahren bricht die europäische Avantgarde-Fotografie endgültig mit den Traditionen der konventionellen Fotografie und sprengt festgefahrene Strukturen sowohl in der Bildkomposition als auch in den Köpfen des Publikums. Das "Neue Sehen" postuliert eine dynamische Fotografie, die als ein Spiegelbild der Zeit den Fortschrittsoptimismus und die Technikeuphorie zu Beginn des 20. Jahrhunderts abbilden soll. Zeitgleich streben die Künstler auch eine Emanzipation der Kunstfotografie selbst an und fordern, dass diese nicht länger von Meinungen der Kunstkritiker, sondern von ihren eigenen bestimmt werden solle.

Wegbereiter des "Neuen Sehens": Die 'Neue Sachlichkeit'

Der Wandel in der fotografischen Kunst, der letzten Endes in die experimentelle Stilrichtung des Neuen Sehens mündet, setzt bereits vor dem Ersten Weltkrieg ein: Die Künstlerinnen und Künstler arbeiten nicht länger im Stile des sogenannten "Piktorismus" nach dem Vorbild der Malerei, nach dem auch fotografierte Bilder symbolischen Gehalt besitzen sollten. Stattdessen kommt mit der sich rasch entwickelnden Technik und dem Gedankengut der 'Neuen Sachlichkeit' zunehmend die Vorstellung von einer direkten Fotografie, der sogenannten "Straight Photography", auf. Diese setzt auf eine exakte Ausleuchtung, Schärfe, realistische Perspektiven und nicht manipulierte Positive.

Anfang der 20er Jahre jedoch erscheinen den Künstlerinnen und Künstlern diese sehr nüchternen Darstellungen der Wirklichkeit bereits als substanzlos und fad. In den, in der Regel links orientierten, avantgardistischen Lagern wächst das Verlangen, die gesellschaftlichen Umwälzungsprozesse, die zu dieser Zeit noch bejubelt und forciert werden, ästhetisch dynamisch abbilden zu können. Das "Neue Sehen" ist Resulat dieser Bestrebungen.

Abbild der Städtischen Kultur: Das "Neue Sehen"

Das "Neue Sehen", das sich in großer Nähe zum Konstruktivismus und zur Schule des "Bauhaus" entwickelt, löst die tradierten Normen von Komposition, Bildsprache und Beleuchtung bzw. Belichtung weitestgehend auf und experimentiert mit neuen Perspektiven, ungewohnten und zum Teil bewusst unausgewogenen Kompositionen und konventionell als unästhetisch empfundenen Belichtungsmethoden. Auf diese Weise soll die Fotografie in die Lage versetzt werden, den gesellschaftlichen und technischen Wandel und Fortschritt nicht nur zu dokumentieren, sondern ihn ästhetisch ab- und nachzubilden. Bekannt sind vor allem Künstler wie László Moholy-Nagy, seines Zeichens Lehrender am 'Bauhaus' von 1923 bis 1928, und der russische Konstruktivist Alexander Rodtschenko.

Neben dem Bruch mit den Normen verfolgt das "Neue Sehen" auch einen dezidiert didaktischen Ansatz, indem der Blick des Publikums durch den experimentellen Charakter der Werke gleichsam "entnormt" wird. Erklärtes Ziel ist es, "das menschliche Auge mit Hilfe der mechanischen Optik zu schulen'" und es dadurch aufnahmefähig für neue Abbildungsweisen zu machen. Hierfür eignen sich am besten bereits bekannte Sujets, die durch unbekannte Darstellungsweisen wie etwa doppelte Belichtung oder auch mithilfe sogenannter "Fotogramme" (d.i. die direkte Belichtung eines Films ohne die Kamera als Medium) jedoch verfremdet erscheinen. Bei den "neuen" Perspektiven sind vor allem extreme Auf- oder Untersichten beliebt, da diese das Dargestellte in einem vollkommen neuen Licht erscheinen lassen und den Betrachtenden – im übertragenden Sinne – auch dazu zwingen, die eigene Perspektive zu überdenken.

Darüber hinaus zeichnet sich das "Neue Sehen" durch das programmatische Fehlen von kompositorischen Regelungen aus: Die Künstler setzen auf kreative und spontane Impulse, die das ursprünglich als reproduzierend gedachte Medium der Fotografie immer mehr zu einem produzierenden Medium machen, das durch Experiment und Neuinterpretation eine eigene künstlerische Wirklichkeit erschafft. In diesem Zusammenhang schreibt Alexander Rodtschenko im Jahre 1935, die Fotografie verfüge über alle notwendigen Rechte und Vorzüge, die Kunstform unserer Zeit zu sein.

Kritik des Experiments: Die Schwächen des "Neuen Sehens"

Die Kritik an der experimentellen Stilrichtung kommt letzten Endes genau aus dem Lager, wo das "Neue Sehen" seinen Anfang genommen hatte: aus der 'Neuen Sachlichkeit'. Die Anhänger der "Straight Photography" prangern nicht nur die offensichtliche Unfähigkeit zu einem einheitlichen Stil aufgrund der programmatischen Regelfreiheit der Bewegung an, sondern werfen den jeweiligen Künstlern auch einen gewissen laienhaften Umgang mit dem Medium sowie bisweilen mangelnde technische Ausbildung vor.

Als Reaktion auf die kritischen Stimmen werden am Bauhaus erstmals reine Fotografieklassen eingeführt. Diese haben zwar den von den Kritikern geforderten Wandel hin zur direkten Fotografie zur Folge, nivellieren jedoch auch weitestgehend den kreativen und experimentellen Ansatz der Stilrichtung. Mit dem Aufstieg der totalitären Regimes in Deutschland und der (damaligen) UdSSR während der 1930er Jahre verschwindet der experimentelle Ansatz dann gänzlich aus der ästhetischen Fotografie und man kehrt zurück zu realistischen Arbeiten, die sich nach einem strengen akademischen Regelwerk richten.


Lichtkunst von damals bis heute

Als die Entwicklung der Glühlampe gegen Ende des 19. Jahrhunderts den Menschen von der Gebundenheit an natürliche Lichtquellen "befreit", versetzt sie ihn zugleich in die Lage, frei über das Licht zu verfügen und es nicht nur für praktische, sondern auch für ästhetische Zwecke einzusetzen. Aus dieser Position heraus entwickelt sich im 20. Jahrhundert die sogenannte "Lichtkunst", zunächst als Teil der Skulptur oder der Installation, zur eigenständigen künstlerischen Gattung. In der Regel sind entsprechende Installationen auf eine Abwesenheit von Tageslicht und anderen (nicht in das künstlerische Projekt einbezogenen) Lichtquellen angewiesen.

Entscheidendes Charakteristikum der Lichtkunst ist ihre Selbstreferenzialität, d.h. es handelt sich nur dort um 'Lichtkunst' im engeren Sinne, wo das künstliche Licht weder für pragmatische, noch kommerzielle, sondern für rein ästhetische Zwecke genutzt wird. Aus diesem Grund fallen Beleuchtungsanlagen (z.B. für Kunstobjekte im Freien), Lichtinstallationen mit Zeichencharakter (z.B. Verkehrsampel) und kommerzielle Leuchtreklamen nicht in die Kategorie der Lichtkunst.

Frühe Lichtkunst: Die Feier des technischen Fortschritts

Im frühen 20. Jahrhundert sind die ersten Aktionen und Installationen, bei denen elektrisches Licht künstlerisch eingesetzt wird, noch ganz vom Fortschrittsoptimismus der Aufklärung und der Wohlstandswelle der Industriellen Revolution getragen. Zeitgleich mit der ästhetischen Emanzipation der Lichtkunst entwickelt sich auch die Fotografie zur eigenständigen Kunstrichtung und trägt enorm zur Wahrnehmung des Lichts als (nutzbares und bearbeitbares) Medium bei. In den 1920er Jahren entwickelt der Ungar Lázló Moholy-Nagy, welcher zu dieser Zeit am 'Bauhaus' tätig ist, den sogenannten "Licht-Raum-Modulator", mit dem er die Fotografie als erste Kunst zelebriert, die "aus der Maschine" komme.

Moholy-Nagys Objekt erzeugt mithilfe von verschiedenfarbigen Glühlampen in einer kubischen Öffnung und einem sich unablässig bewegenden Mechanismus lineare Farb- und Schattenprojektionen. Einen dunklen Schatten wirft die Instrumentalisierung des künstlichen Lichts durch den Nationalsozialismus auf die Geschichte der Lichtkunst: Die historisch gewachsene kultische Dimension und empathische Wirkung des Mediums nutzend, setzt Albert Speer, seines Zeichens Reichsminister für Bewaffnung und Munition ab 1942, die Propaganda-Aufmärsche der NS-Führungsriege mit riesigen Flakscheinwerfern in Szene.

Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts steht wieder ganz im Zeichen einer technikeuphorischen und zukunftsorientierten Lichtkunst: In den späten 40er Jahren wird Moholy-Nagys Idee einer radikalen Konkretisierung von Licht wieder aufgegriffen und entwickelt sich mit dem Pariser Künstler Nicolas Schöffer zu einer Utopie der vollständigen urbanen Ästhetisierung. Schöffer will mithilfe von raum-dynamischen Lichtarchitekturen eine Stadt schaffen, die auf die verschiedenen Witterungseinflüsse mit Licht und Bewegung reagiert.

Die Puristen der 60er Jahre: Das Spiel mit dem 'reinen' Licht

Anders als den frühen Lichtkünstlern geht es den Künstlern der 60er und 70er Jahre nicht nur darum, die technischen Möglichkeiten der künstlichen Lichtquelle in Szene zu setzen, sondern um das Spiel mit dem Medium selbst. Vor allem im amerikanischen Raum findet in dieser Zeit eine Konzentration auf das 'reine' Licht und die Möglichkeiten seiner Inszenierung im Raum statt. Bekanntes Beispiel dieser neuen Form ist die "Diagonale vom 25. Mai" von Dan Flavin aus dem Jahre 1963, bei der das Licht aus einer gelben, industriell genormten Leuchtstoffröhre nach außen in den Raum dringt. In der Nachfolge Flavins entstehen ganze "Lichtkorridore", die experimentell mit der Verteilung des Lichts im Raum arbeiten.

Fotograf: Nicholas Boos, Titel: Nauman (Quelle: flickr.com)

Ein weiteres Kennzeichen der puristischen Lichtkunst der 60er und 70er Jahre ist ihre explizite Selbstreferenzialität: Gearbeitet wird ausschließlich mit den physikalisch-optischen Eigenschaften des Mediums und seiner Wirkung auf das Publikum.

"Nicht irgendein Licht, nicht das, was man so kennt, strahlend, glimmend oder funkelnd. Wenn das Licht zu Kunst wird, dann will es sich kräuseln, dann züngelt es, wabert, rieselt, formt feinste Gespinste."

Neben der relativ abstrakten Lichtkunst setzt in den späten 70er Jahren auch die ästhetische Nutzbarmachung der (um 1912 entwickelten) Leuchtreklame ein: Anstatt für werbende und kommerzielle Zwecken werden die dünnen und formbaren Leuchtröhren nun von Künstlern wie François Morellet, Keith Sonnier, Mario Merz und Bruce Nauman (siehe Bild) verwendet, um leuchtende Schriftzüge oder auch ganze Bilder als Licht zu formen. Während dieser Zeit werden jedoch zunehmend auch kritische Stimmen laut, die vor der verführerischen Faszinationskraft der – an die Leuchtreklamen angelehnten – Installationen warnen. Stärker als zu Beginn der Lichtkunst rückt nun der ästhetische Diskurs in den Vordergrund: Das künstlerische Konzept muss stets den dekorativen Wert dominieren.

Moderne Lichtkunst: Politisches Engagement und soziale Wirklichkeit

Fotograf: Jef Nickerson, Titel: Jenny Holzner (Quelle: flickr.com)

Während die frühe Lichtkunst den Fortschrittsoptimismus verkörpert und die puristische Lichtkunst der 60er und 70er Jahre den Wert des 'reinen' Lichts in Szene setzt, definiert sich die moderne Lichtkunst etwa ab den 1980er Jahren über ihren gesellschaftskritischen Impetus. Frühes Beispiel ist hier das Leuchtschriftenwerk der amerikanischen Künstlerin Jenny Holzer, deren projizierte Leuchtschriften das Publikum mitten am New Yorker Times Square mit Gemeinplätzen und Binsenwahrheiten konfrontieren, die einen Einbruch der Kunst in die soziale Wirklichkeit darstellen (siehe Bild). Ebenfalls typisch für die moderne Lichkunst ist ihr Einsatz im Dienste des kulturellen Gedächtnisses: Der französische Künstler Christian Boltanski verwendet Lichtinstallationen wie leuchtende Hampelmänner und Projektionen von Drahtfiguren in Kombination mit Kindheitserinnerungen in Vitrinen, um den traumatisierenden Einbruch des Holocaust in die kindliche Lebenswelt zu symbolisieren.

In der modernen Lichtkunst wird das Medium in erster Linie als Bedeutungsträger zur visuellen Kommunikation genutzt, verweist in dieser Eigenschaft jedoch auch auf die wesensimmanente Doppelbödigkeit von Botschaften, die immer ideologisch geprägt sind und niemals unreflektiert betrachtet werden dürfen.


Stilrichtungen der Konzeptkunst: Prozesskunst, Objektkunst und Happening

Die 60er Jahre brechen künstlerisch mit allen Tabus. Im Zuge der avantgardistischen Bewegungen wird nicht nur die Trennung von Künstler und Kunstwerk zeitweise aufgehoben, sondern auch die Wertehierarchie im künstlerischen Schaffensprozess hinterfragt. Als Weiterentwicklung der Tendenzen aus der abstrakten Malerei und progressiven Strömungen wie Kubismus und Dadaismus, gesteht die sogenannte "Konzeptkunst" der Planung und Idee zu einem Werk den gleichen Stellenwert zu wie dem fertigen Objekt. Aus diesem "Spiel" mit Konventionen, Begrifflichkeiten und Traditionen entstehen die Stilrichtungen der Prozess- und Objektkunst, sowie das Happening.

Im Jahre 1966 fand mit der Ausstellung „Working Drawings and Other Visible Things on Paper Not Necessarily Meant to Be Viewed as Art“ in New York die erste Ausstellung statt, bei der nicht fertige Kunstobjekte, sondern Kunst-Konzeptionen vorgeführt werden: Skizzen, Anleitungen, Schriftstücke und bisweilen ganze "Künstlerbücher", die in Vorbereitung auf einen künstlerischen Schaffensprozess entstanden sind. Drei Jahre später findet im Leverkusener Museum 'Morsbroich' die erste Konzeptkunst-Ausstellung auf deutschem Boden statt.

Die Prozesskunst – Der Weg ist das Ziel

Am deutlichsten spiegelt sich der Gedanke von der Gleichwertigkeit aller Arbeitsschritte von der Idee bis hin zum fertigen Kunstobjekt in der sogenannten "Prozesskunst": Hier wird nicht nur der Prozess der Gestaltung festgehalten, sondern Zeit und Raum sollen sowohl für den Künstler selbst als auch für das Publikum als autarke Größen erfahrbar werden. Zugleich sollen die Hintergründe der Entstehung die Wahrnehmung des fertigen Objektes beeinflussen, indem der Prozess der Gestaltung in die Präsentation mit einbezogen wird. Um den Prozess "erfahrbar" zu machen, werden bevorzugt Videoaufnahmen bzw. Fotostrecken verwendet, die dem prozesshaften Charakter der Gestaltung nachempfunden sind.

Durch die Dokumentation des Gestaltungsvorgangs in Ausschnitten oder als Gesamtprozess wird außerdem deutlich, welchen Alltagseinflüssen das fertige Objekt während seiner Entstehung ausgesetzt war (z.B. Unterschiedliche Bedingungen an unterschiedlichen Standorten, Erosion, "helfende Hände" etc.) und der Betrachter kann sich ein Bild davon machen, welche Entwicklungen dadurch eventuell angestoßen wurden bzw. inwiefern das Objekt hiervon beeinflusst wurde. Bekannte deutsche Vertreter der Prozesskunst sind u.a. Eva Hesse, die 1972 noch postum auf der fünften 'documenta' in Kassel vertreten war (siehe Bild), Ulrich Rückriem und Jochen Gerz. Bekannte internationale Prozesskünstler sind Bruce Nauman, Richard Serra und Robert Morris, dessen sogenannte "Bleibilder" im 'Museum of Modern Art' in New York ausgestellt sind.

Fotograf: richard winchell, Titel: Eva Hesse, flickr.com

Die Objektkunst – Vom Alltag zur Kunst

Die Ursprünge der Objektkunst liegen in einer Frage, die am Beginn fast jeder avantgardistischen Bewegung steht: Was macht Kunst zur Kunst? Während im Kubismus bereits die traditionellen Formen verschwimmen, die in der Abstrakten Malerei dann gänzlich aufgelöst werden, stellen sowohl der späte Dadaismus, als auch der Surrealismus explizit die Frage nach einer Kunst, die abgelöst vom Künstler existiert. Der französisch-amerikanische Künstler Marcel Duchamp schließlich polarisiert mit seinen sogenannten "Ready-mades“ (franz. Objet trouvé), bei denen es sich um beliebige Alltagsgegenstände (wie beispielsweise ein Pissoir) handelt, die er unverändert als „Kunst“ präsentiert. In der – sich daraus entwickelnden – Objektkunst werden ebenfalls Nutzgegenstände oder auch natürliche Fundstücke unverändert oder verfremdet als Kunstwerke deklariert und einzeln (oder zur „Assemblage“ kombiniert) ausgestellt. Ein berühmtes Beispiel ist hier der Stierschädel“ Picassos von 1942.

Während der 1960er Jahre erreicht die Objektkunst ihre monumentalsten Ausgestaltungen, indem Künstler ganze Räume und Gebäude, zum Teil in Anlehnung an die „Merz-Bauten“ von Kurt Schwitters, gestalten. Bekannte Beispiele für diese „Environments“ sind neben den verhüllten Bauten Christos und den Rauminstallationen von Joseph Beuys auch die Arbeiten des Schweizer Malers und Bildhauers Jean Tinguely (siehe Bild: Chaos), der vor allem für seine funktionalen Maschinenplastiken aus Metall berühmt ist. Ab 1979 ist Tinguely außerdem an den Arbeiten für den „Giardino dei Tarocchi“ (den sogenannten „Tarotgarten“) seiner Lebensgefährtin Niki de Saint Phalle beteiligt, in dem eine Vielzahl begehbarer „Environments“ im Stile der überlebensgroßen bunten „Nanas“ entstehen.

Das Happening – Aktionskunst als Provokation

Das Happening (vom engl. to happen = 'geschehen') ist neben der Fluxus-Bewegung die wichtigste Ausdrucksform der sogenannten "Aktionskunst", welche in den 1960er Jahren gegen einen als zu eng empfundenen Kunstbegriff revoltiert und sich explizit als Manifestation politischer Meinungsbildung versteht. Indem traditionelle Grenzen bewusst überschritten werden, soll die künstlerische Gestaltung als Teil der Lebenswirklichkeit anerkannt werden und in die soziale Wirklichkeit eingreifen. Die konzeptionelle Grenzüberschreitung schlägt sich u.a. in der Suche nach neuen medialen und performativen Ausdrucksformen und in der expliziten Aufhebung der Grenze zwischen Künstler und dem Publikum dar. Die geläufigste Form des Happenings ist daher ein improvisiertes Ereignis, in welches das Publikum direkt mit einbezogen wird. Da sich die Kunstform als fließender, nicht fixierbarer Übergang zwischen Kunst und Leben versteht, sind auch Anfangs- und Endpunkt des Ereignisses in keiner Weise markiert.

Die Interaktion mit dem Publikum ist auf eine Schockwirkung ausgerichtet, weshalb die Darstellenden u.a. Gegenstände in den Zuschauerraum werfen, mit Blut- oder Farbbeuteln werfen oder das Bühnenbild zerstören. Der Geschehensablauf richtet sich nach dem Zufallsprinzip und folgt den Reaktionen des Publikums. Eine besondere Form des Happenings ist die sogenannte "Körperkunst" (Body-Art), zu der auch der geplante Exhibitionismus gehört, der in "Performances" in Szene gesetzt wird. Hier kann der Künstler sich entweder selbst zum Bild machen oder auch andere Körper im Bühnenraum "arrangieren". 


Holz und Kunst: Wissenswertes zu Holzmalerei, Holzschnitt und Holzstich

Seit Menschen Kultur schaffen, gibt es auch Kunstwerke aus Holz. Aufgrund der (diachron betrachtet) relativ kurzen Halbwertszeit des natürlichen Werkstoffes sind heute zwar so gut wie keine historischen Objekte mehr erhalten, doch laut Forschung sind überdimensionale Holzskulpturen beispielweise in Nigeria bereits um 500 v. Chr. entstanden. Während Holz lange Zeit als bevorzugtes Material der sogenannten "Volkskünste" galt, erlebt der Werkstoff seit einigen Jahren auch ein Comeback in der Hochkunst. Anders als bei Stein, Ton oder Leinwand handelt es sich bei Holz jedoch nicht nur um einen natürlichen, sondern um einen lebendigen Stoff, der dementsprechend besondere Anforderungen an seine Verarbeitung stellt.

Der lebendige Bildträger: Holzmalerei

Holz ist bis weit ins 17. Jahrhundert hinein nicht nur der bevorzugte, sondern lange auch der einzig erschwingliche Bildträger. Lange Zeit wird es auch als Untergrund in der Ölmalerei verwendet, bis sich nach und nach die Leinwand als Malgrund durchsetzt, die sich aufgrund ihres geringeren Eigengewichts insbesondere bei großformatigen Bildern besser eignet als Holz. Wer Holz als Malgrund verwenden möchte, sollte vor allem darauf achten, dass es verzugsfrei ist. Aus diesem Grund sollten nur solche Hölzer verwendet werden, die auch bei dickem Farbauftrag (= hoher Feuchtigkeitsgehalt) stabil bleiben. Sehr gut geeignet sind mitteldichte Holzfaserplatten, Spanplatten und Stabsperrholz, die vor dem Farbauftrag jedoch grundiert werden müssen, damit sie nicht "quellen". Bei den ältesten noch erhaltenen Bildträgern aus Holz handelt es sich um griechisch-ägyptische Tafelbilder aus der Zeit um 200 v. Chr. Auch in der italienischen Malerei finden sich häufig Arbeiten aus Holz, so u.a. bei Giotto di Bondone im 13. Jahrhundert.

"Holzmalerei" meint jedoch nicht nur das Malen auf Holz, sondern auch das Bemalen von Holz im Sinne ästhetischer Verzierung. In der Regel handelt es sich um kleinere Gegenstände wie Kästchen, Truhen, Rahmen oder Teller, die mit Intarsien, floralen Mustern oder kleinen Landschaftsszenen verschönert werden. Hierzu sollte der Malgrund sorgfältig mit Glaspapier abgeschliffen und anschließend mit einer Lösung aus Gelantine und Wasser behandelt werden. Für die Holzmalerei eignen sich am besten Aquarellfarben oder, bei dunkleren Hölzern wie Mahagoni oder Kirsche, sogenannte "Gouache-Farben", welche zähflüssiger und dadurch besser deckend sind. Um die Holzmalerei dauerhaft haltbar zu machen, werden die Gegenstände anschließend mit Holzlack oder einem Auarellfirnis behandelt.

Das Werk von Marisa Rosato der modernen Zeit („Woanders ist es auch schön!“) zeigt eine Mischtechnik auf Holz und besitzt auch insgesamt einen sehr holzartigen Charakter. Auch das Bild „Orange Purcells Wallsculpture“ von Frank Böhmer wurde mit einer Mischtechnik auf Holz aufgetragen, was jedoch in dem Fall nicht auf dem ersten Blick ersichtlich ist.

Die dritte und jüngste Art der Holzmalerei ist das sogenannte „Maserieren“, bei dem durch einen geschickten Anstrich die unterschiedlichsten Holzarten extrem wirklichkeitsnahe imitiert werden. Ihren Höhepunkt erlebt die Maserierung im 19. Jahrhundert, als Möbel, Türen und Dekorationsgegenstände aus kostengünstigem Weichholz hergestellt und von professionellen Dekorationsmalern mittels Öl- oder Wasserlasur auf einem Untergrund aus Leinölfarbe in edles Hartholz wie Esche, Eiche oder Ahorn „verwandelt“ werden.

Lebendiger Druckstock: Der Holzschnitt

Aufgrund der weichen und leicht zu bearbeitenden Beschaffenheit des Materials, wird Holz schon früh zur Herstellung von "Druckstöcken" verwendet, für die aus einem glatten Holzblock mittels Schneidemessern nach vorgefertigtem Muster reliefartig Teile herausgeschnitten werden. Die erhabenen Stellen werden anschließend eingefärbt und mit großem Druck auf den jeweiligen Bedruckstoff (in der Regel Textil oder Papier) aufgebracht. Der Holzschnitt zählt zu den Hochdruck-Verfahren und unterscheidet sich erheblich von Tief-, Flach- und Siebdruck. Die Wiege des Holzschnitts liegt in China, wo um 100 n. Chr. das Papier erfunden wird und sich mit der sogenannten "Steinabreibung" die erste druckgraphische Technik überhaupt entwickelt.

Hierzu wird ein entsprechend gravierter Stein mit nassem Papier überzogen, auf das (sobald es getrocknet ist) Tusche aufgetragen wird, wobei die tiefliegenden Flächen weiß bleiben. Parallel zur Steinabreibung entwickeln sich auch die ersten Modelle aus Holz. Der älteste erhaltene Holzschnitt wurde in einem koreanischen Tempel entdeckt und auf das Jahr 751 datiert. Die früheste grafische Technik in Mitteleuropa entsteht aus der Notwendigkeit heraus, die wachsende Nachfrage nach sogenannten "Andachtsbildern" zu befriedigen, die in den Klöstern traditionell von Hand gezeichnet wurden. Mithilfe des "Einblattholzschnitts" gelingt es um 1400, das Gebrauchsgut für den spirituellen Ritus ohne großen Zeitaufwand zu vervielfältigen.

Bereits wenige Jahrzehnte später findet der Holzschnitt bereits Verwendung im künstlerischen Bereich, wenn u.a. Tizian und Michelangelo ihn nutzen, um ihre Werke zu vervielfältigen. Auch Albrecht Dürer erkennt die Druckgrafik schon früh als eigenständige künstlerische Ausdrucksform an (siehe Bild: Selbstbildnis von Albrecht Dürer) und publiziert sogar ganze „Holzschnitt-Folgen“ wie etwa die „Apokalypse“ aus dem Jahre 1498. Die „Apokalyptischen Reiter“ aus dieser Serie können Sie auch bei uns in der Galerie entdecken. Mit der bevorzugt höfischen Kunst des Barock und dem Genie-Kult des 19. Jahrhunderts verliert der Holzdruck immer mehr an Bedeutung, bis er im frühen 20. Jahrhundert durch die Expressionisten wiederentdeckt wird.

Weiterentwicklung des Holzschnitts: Der Holzstich

Da das Druckbild des Holzschnitts mittels Schneidemessern gefertigt wird, sind die entstehenden Grafiken relativ grob und lassen kaum unterschiedliche Hell-Dunkel-Werte erkennen. Aus diesem Grund entwickelt der Brite Thomas Bewick Mitte des 18. Jahrhunderts eine "feineren" Holzschnitt, der aufgrund seiner Herstellung den Namen "Holzstich" erhält: Verwendet wird ausschließlich sehr hartes Holz wie etwa Buchsbaum, welches quer zur Maserung (in der Regel als Hirn- oder Kernholz) geschnitten und in das mit Sticheln sehr feine Linien gestochen werden. Durch diesen aufwändigen Prozess können für jede Stelle der späteren Grafik beliebige Tonabstufungen und insgesamt eine beinahe fotorealistische Wirkung erzielt werden.

Aufgrund der hohen Widerstandsfähigkeit des Buchsbaumholzes kann eine Druckplatte für bis zu 100.000 Grafiken verwendet werden, weshalb der Holzstich im 19. Jahrhundert zur beliebtesten Vervielfältigungsmethode wird und den Kupferstich weitestgehend verdrängt. Dieser wiederum hatte zuvor den Holzschnitt als beliebtestes druckgrafisches Mittel verdrängt.


Genremalerei: Welche Rolle spielt der Alltag in der Kunst?

Trunkene Bauern und kreischende Mägde: Die "Genremalerei", die zwischen den ästhetischen Formen der Landschaftsmalerei und des Portraits changiert, wird häufig als eine Art gemalte Alltagsszene betrachtet, da sie auf karikierende Weise die Lebensformen der niederen sozialen Stände darstellt. Ihre Blütezeit hat die Genremalerei im 17. Jahrhundert in den Niederlanden – doch die entsprechenden Figurendarstellungen mit belehrendem Charakter finden sich schon deutlich früher auch an anderer Stelle in der Kunstgeschichte.

Der Brockhaus von 2006 definiert die Genremalerei in seiner 21. Auflage als "Darstellungsbereich, der Handlungen und Begebenheiten des alltäglichen Lebens zum Inhalt hat". Dass die von rüpelhaften Bauernfiguren und betrügerischen Dirnen bevölkerten Gemälde jedoch nicht nur Momentaufnahmen des Alltags sind, sondern durchaus ikonografischen Charakter besitzen, hat man erst in den 1970er Jahren erkannt. Durch den ikonografischen Stil entsteht innerhalb einer beliebigen alltäglichen Szene gleichsam eine zweite Bedeutungsebene, die häufig eine moralisch-erzieherische Aussage enthält: Durch das Dargestellte sollen negative Verhaltensweisen angeprangert und die Betrachter dazu aufgefordert werden, das eigene Verhalten zu überdenken.

Dieser "zweiten Seite" hat die Stilrichtung den Beinamen "Sittenbild" oder "Sittenmalerei" zu verdanken. Dem Volk durch Verbildlichungen den Spiegel vorzuhalten, ist jedoch bei weitem keine Idee des 17. Jahrhunderts. Schon Aristoteles hat um 350 v. Chr. die Belehrung des Publikums durch die Kunst gefordert: Gemäß seinen Darstellungen zu Tragödie und Komödie fordert er die Belehrung durch Idealisierung bzw. Karikierung. Die Genremalerei arbeitet beinahe ausschließlich mit karikierenden Elementen.

Die "Sitte" im "Genre": Der erzieherische Anspruch der Genremalerei

Insbesondere im christlichen Kontext ist es schon früh Usus, lächerlich-rüpelhafte Figuren als Verkörperungen von Maßlosigkeit und Zügellosigkeit in überspitzter Manier ärmlich und plump darzustellen, damit sie den größtmöglichen Kontrast zum – von der Kirche erwünschten – bescheidenen und demütigen Verhalten bilden konnten. Auf diese Weise wird der Bauernstand in den Buchillustrationen des Spätmittelalters der höfischen Gesellschaft gegenübergestellt, um Letztere daran zu erinnern, welches Verhalten nicht von ihnen erwartet wird. Ebenfalls im christlichen Kontext entstehen schon früh sogenannte Tafelbilder mit warnenden Darstellungen der Sieben Todsünden (z. B. von Hieronymus Bosch um 1500), die sich später zu Bordell-, Prügel- und Trinkgelageszenen entwickeln, in denen das schlechte Benehmen explizit angeprangert wird.

Bekannte Beispiele sind hier u.a. "Der eingeschlafene Wirt" von Adriaen Brouwer (ca. 1630) und die "Verkehrte Welt" von Jan Steen aus dem Jahre 1663, welche die negativen Folgen eines schlecht geführten Haushaltes anprangert. Auch die für die Genremalerei typischen Darstellung von Familien- und Bauernszenen in ländlicher Umgebung findet sich bereits im 16. Jahrhundert beispielsweise bei Jan Bruegel dem Älteren und Pieter Aertsen. Ihre Blütezeit jedoch erlebt die Genremalerei erst im 17. Jahrhundert in den Niederlanden, wo sie sich erstmals vollständig von genrehaften Szenen in flämischen Monatsbildern und Stundenbüchern emanzipiert und zur eigenständigen Gattung wird.

Die Wiege der Genrebilder: Antwerpen

Der starke erzieherische Impetus vor allem der frühen niederländischen Genremalerei erklärt sich aus der Weltanschauung der nördlichen Niederlande, welche zwischen dem 14. und dem 18. Jahrhundert vorwiegend calvinistisch geprägt waren und die Genrebilder dazu verwendeten, dem Volk die entsprechenden Lehren zu vermitteln. Da der Calvinismus von einer grundsätzlichen Verderbtheit des natürlichen Menschen ausgeht und von der Malerei fordert, dass sie belehrend sein müsse, stellen die Genrebilder der Region Antwerpen gleichsam einen permanent erhobenen Zeigefinger der Obrigkeit dar. Doch auch in den südlichen, weniger calvinistisch geprägten Niederlanden, erfreuen sich die belehrenden Darstellungen großer Beliebtheit vor allem bei der bürgerlichen Bevölkerungsschicht: Die Assoziation des schlechten Benehmens mit dem Bauernstand ist zugleich Aufwertung und Legitimation des eigenen Verhaltens.

Das Bürgertum ist im 17. Jahrhundert auch die Schicht, von der die meisten Genre- oder Sittenbilder in Auftrag gegeben werden. Für sozial höhere Stände werden die erzieherisch-moralischen Lehren mittels klassischer oder mythologischer Themen dargestellt, die als ästhetisch wertvoller gelten; diese Unterart der Sittenmalerei wird später unter dem Begriff „Historienmalerei“ bekannt. Von den südlichen Niederlanden, besonders jedoch von Antwerpen aus, greift die Genremalerei nach und nach auch auf andere Gegenden über. Vor allem in Norditalien und Spanien wird die Stilrichtung schnell heimisch, da beide Länder enge wirtschaftliche Verbindungen mit den exportorientierten Antwerpern pflegen.

Das Genre zwischen Portrait- und Landschaftsmalerei

Während die frühen niederländischen Bauern- und Familienszenen einen starken Akzent auf der Darstellung der ländlichen und bäurischen Landschaft erkennen lassen, verschiebt sich die Gestaltung später immer mehr vom Landschaftsbild hin zur Portraitkunst. Insbesondere in den nördlichen Niederlanden, die zur Hochburg des belehrenden Sittenbildes werden, ist die portraitistische Darstellung beliebt, da sie es dem Künstler erlaubt, den lasterhaften Menschen in allen Einzelheiten gleichsam in "Nahaufnahme" darzustellen und zeitgleich zu karikieren. Berühmtes Beispiel für diese Genrevermischung ist die "Malle Babbe" des antwerpener Malers Frans Hals:

"Die grobe, beinah skizzenhafte Pinselführung, der durch Trunkenheit verzerrte Gesichtsausdruck, der Bierkrug, die Eule als Symbol des Diabolischen sind Kennzeichen für einen lasterhaften Menschen, zumal für eine Frau."

Gleichsam eine Sonderform des Genrebildes findet sich bei Jan Vermeer, der zwar – wie für das Genre- und Sittenbild üblich – Einzelfiguren oder Gruppen in alltäglichen Situationen darstellt, diese jedoch weder überzeichnet, noch karikiert. Darüber hinaus sind die Figuren Vermeers eindeutig keine Angehörigen des Bauernmilieus, sondern wirken, wenn auch nicht wohlhabend, so doch gebildet und wohlerzogen. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist das "Mädchen mit dem Perlenohrring" (niederländisch: Het meisje met de parel), das es auch bei uns in der Galerie zu entdecken gibt (siehe Bild). Vermeers Arbeiten gelten – und das ist selten in der Genremalerei – als Belehrung durch Idealisierung: Seine Figuren tragen kein lasterhaftes Verhalten, sondern anzustrebende Tugenden zur Schau.

Quellen:

Brockhaus-Enzyklopädie in 30 Bänden, 21., völlig neu bearbeitete Auflage, Band 10: Fries-Glar, Leipzig und Mannheim 2006, S. 474.


"Eat Art" – weil Essen mehr ist als Nahrungsaufnahme

Kahlo, Kaulbach, Kartoffelbrei: Bei der "Eat Art" wird Essen zu Kunst und die Nahrungsmittel werden ebenso gekonnt in Szene gesetzt wie der berühmte "Stierkopf" Picassos oder die bunten "Nanas" von Niki de Saint Phalle. Die spezielle und bis dahin unbekannte Form der Objektkunst entsteht in den 1960er Jahren im Zuge von neodadaistischen und neofuturistischen Strömungen und tritt in gewisser Weise das Erbe der "Cucina Futurista“ an – einer Vereinigung italienischer Künstler, die öffentliche Festessen zu Kunstwerken erklärten.

Der geistige Vater der „Eat Art“: Daniel Spoerri

Titel: Eat Art - Temptation, Fotograf: Inga Vltola, Quelle: flickr.com

Als berühmtester Vertreter der Ess-Kunst gilt der Schweizer Künstler Daniel Spoerri, welcher auch den Begriff „Eat Art“ prägt. Bekannt wird Spoerri, welcher Mitglied der französischen Künstlergruppe Nouveau Réalisme ist, in den 1960er Jahren vor allem durch seine sogenannten „Fallenbilder“ (franz. Tableaux pièges), für die er beliebige Überreste einer Mahlzeit mittels Leim und Konservierungsstoffen auf der Tischplatte fixierte, um eine dreidimensionale Momentaufnahme zu erschaffen. Es ist der Versuch, ein Stück Alltagswirklichkeit gleichsam „einzufangen“ und damit im doppelten Wortsinn „haltbar“ zu machen (siehe: https://www.spoerri.at/leben-und-werk-daniel-spoerri.htm).

Die Ess-Kunst als solche steht, da sie Alltagsgegenstände zur Kunst erhebt und der Lebenswirklichkeit einen Platz in der künstlerischen Ästhetik einzuräumen sucht, zwar in der Folge von (Spät)kubismus und Dadaismus, geht jedoch ganz neue Wege. Neben der ästhetisch-materialistischen Komponente der Nahrungsmittel geht Spoerri auch der gesellschaftlich-sozialen Bedeutung des Essens und der Esskultur nach und setzt sich intensiv mit dem menschlichen Geschmackssinn auseinander. Folge dieser Überlegungen sind eine Reihe kulinarischer Experimente, in denen Spoerri sowohl mit Geschmacksnerven, als auch mit Konventionen spielt.

Eines dieser Experimente ist das sogenannte „Palindromische Diner“, das unter anderem 2001 zu Ehren der „Fluxus“-Ausstellung in Bremen serviert wurde: Gemäß seinem Namen scheint dieses Menü in umgekehrter Reihenfolge abzulaufen, indem mit dem Kaffee begonnen und mit der Vorsuppe geendet wird. Geschmacklich entpuppt sich die Speisenfolge jedoch als ganz „normal“ im Sinne der Konvention, indem der Kaffee sich als Vorsuppe und die vermeintliche Suppe als Cappuccino herausstellt. Ein anderes kulinarisches Experiment ist Spoerris „Kartoffelbrei-Eis“, das mit (vermeintlichen) Fleischpralinen serviert wird.

Bekenntnisse zur „Eat Art“: Ausstellungen und Museen

Spoerri, der zahlreiche Texte zur Ess-Kunst veröffentlichte und seit 1970 mit dem sogenannten „Gastronoptikum“ auch eine Kulinarik-Kolumne herausgibt, eröffnet bereits in den 1968 das erste Restaurant, in dem Kunst und Kulinarik auf der Tagesordnung und der Menükarte stehen. Bereits zwei Jahre später wird mit der „Eat Art Galerie“ in Düsseldorf der erste Ausstellungsraum eröffnet, in dem alle Kunstgegenstände entweder selbst essbar sein, oder sich mit entsprechenden Themen auseinandersetzen müssen. Ausgestellt werden damals neben Objekten von Spoerri selbst auch Arbeiten von Roy Lichtenstein und Joseph Beuys.

Ein weiterer bekannter Vertreter der „Eat Art“ ist der Schweizer Künstler und Grafiker Dieter Roth (siehe Bild: Schweiz Hutsalat von Dieter Roth), der ebenfalls in den 1960er Jahren damit anfängt, Nahrungsmittel „zweckentfremden“. Anders jedoch als Spoerri, der die Kunst mit dem Essen soziologisch begründet und unter anderem nach den Hintergründen für den Umgang mit Nahrungsmitteln fragt, kommt Roth aus der Happening- und Fluxus-Bewegung und nutzt in erster Linie die materiale Seite der Leckereien: So entstehen unter Roths Händen Objekte aus Schokolade, Wurstscheiben und verschiedenen Gewürzen. Ab 1961 arbeitet er außerdem an den – bis heute umstrittenen – so genannten „Literaturwürsten“, für deren Herstellung er Buchseiten zerkleinert und (vermengt mit Gewürzen und Fett) in Schweinedärme füllte. „Verwurstet“ wurden unter anderem Grass´ „Blechtrommel“ und eine Hegel-Gesamtausgabe.

Die philosophische Seite der „Eat Art“: Die Frage nach dem „Warum?“

Anders als Roth, der mit seinen Ess-Kunst-Objekten in erster Linie provoziert, verfolgt Daniel Spoerri einen eher philosophischen Ansatz, indem er den Umgang mit Essen und den Prozess der Nahrungszubereitung und -aufnahme als Teil des gesamten Lebenszyklus begreift. Dementsprechend betrachtet er auch seine „Fallenbilder“ nur als einen winzigen Ausschnitt zwischen Leben und Tod, Verwesung und Wiedergeburt. Indem Spoerri mit Essen experimentiert und Nahrungsmittel sinnlich wie optisch verändert, schafft er nicht nur ein Bewusstsein für Essgewohnheiten und kulinarische Konventionen, sondern stellt diese zugleich in Frage.

Seit einigen Jahren arbeitet Spoerri auch in größerem Maßstab und setzt seine Ideen in Bronzeskulpturen um. Diese sogenannten Assemblages, die als eine Art plastische Collage gestaltet sind, stellt er – ähnlich wie Niki de Saint Phalle mit ihrem Tarotgarten – in der Toskana aus, wo er seit 1997 den Künstlergarten „Il Giardino di Daniel Spoerri“ betreibt. Auf dem rund 14 ha großen Gelände finden sich neben seinen eigenen Arbeiten auch Installationen befreundeter Künstlerinnern und Künstler.


James Rizzi Bordtrolley

Neu bei uns von James Rizzi: Die Bordtrolleys von Lufthansa!

https://www.zimmermann-heitmann.de/james-rizzi/james-rizzi-original-lufthansa-bordtrolley

Beworben werden diese in Kürze im Programm von n-TV

Bordtrolley James Rizzi


James Rizzi - Trolley

Über James Rizzi
Der berühmte Künstler und Maler James Rizzi wurde am 5. Oktober 1950 in New York City geboren. Leider verstarb er bereits am 26. Dezember 2011, ebenso in New York City.
Seine Mutter war Irin und sein Vater Italiener. Er wuchs mit noch zwei weiteren Geschwistern im New Yorker Stadtteil Brooklyn auf. Er besuchte dort die Holy Innocents Grammar School sowie im Anschluss die Erasmus High School.
Im Jahr 1969 studierte er dann an der University of Florida in Gainesville das Fach Kunst. Während dieses Studiums beschäftigte er sich überwiegend mit Malerei und Skulptur und wurde durch seine häufig geschaffene 3 D Grafiken populär. Bereits im Anschluss seines Studiums, welches er im Jahr 1974 beendete, stellte er seine Kunstwerke im New Yorker Brooklyn Museum aus und somit wurde seine Kunst erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
Sein Erfolg wuchs stetig, sodass er neben einigen CD Cover auch Animationsvideos zeichnete. Aber auch Gebrauchsgegenstände sowie Telefonkarten designte er. Berühmt ist auch sein Rosenthal Porzellan.
Rizzi war zu seiner Lebzeit einer der bekanntesten sowie zeitgenössischen Künstler der Pop Art Richtung.
Rizzi engagierte sich natürlich auch wohltätig. Er arbeitete so zum Beispiel mit dem "Lions Club Krefeld Rheintor" zusammen und somit ging der Erlös aus seinem Werk "Gone With The Wind" an die Opfer der Hurrikan Opfer in New Orleans. In Zusammenarbeit mit dem Musiker Peter Maffay übernahm Rizzi auch die Schirmherrschaft für die Organisation "Begegnungen", welches sich für hilfsbedürftige Kinder einsetzt.
Sein Stil:
Rizzi ist für seine 3 D Kunst berühmt. Die Medien beschrieben seinen Stil als "Urban Primitive Artist". Auffällig sind die extrem bunten Farben in seinen Werken, sowie die oftmals beschriebenen kindlich und naiven Motive. Häufig setzt er seine Stadt New York sowie dessen Bewohner in Szene.
Seine berühmtesten Werke bzw. Projekte:
- Im Jahr 1996 gestaltete er für die Fluggesellschaft Condor eine Bong 757, welcher als Rizzi Bird bekannt wurde
- 1999 erschien eine 15 bändige Brockhaus Ausgabe mit Cover, welche von Rizzi gestaltet wurde. Ebenso erschien zeitgleich eine Sonderedition mit inkludierter Lithografie.
- Ebenfalls im Jahr 1999 designte Rizzi für das Unternehmen Volkswagen 3 VW Beetle
- Zur Expo gestaltete er neben Konrad Kloster das in Braunschweig stehende Happy RIZZI House
- Für das Unternehmen Siemens war Rizzi im Jahr 2001 für dessen Corporate-Identity-Kampagne zuständig
- 2002 gestaltete Rizzi für die Stadt Heilbronn einen Stadtbahntriebwagen der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft. Die sogenannte Rizzi Bahn kann noch heute für Sonderfahrten gebucht werden
- "Grüße für jeden Anlass" sind die vier Sonderbriefmarken, die Rizzi für die Post gestaltet hat und im Jahr 2008 verkauft wurden
- Eines seiner letzten Werke war die Gestalltung einer Lokomotive der metronom Eisenbahngesellschaft
Seine bekanntesten Ausstellungen:
- 2008 - Ausstellung zum Anlass der Veröffentlichung der Sonderbriefmarken der Serie "Grüße für jeden Anlass" in Frankfurt am Main im Museum für Kommunikation
- Weltgrößte Rizzi Ausstellung in Mainz im Jahr 2008
- Im Jahr 2010 fand eine Ausstellung zum 60. Geburtstag von Rizzi in Bremen statt
- 2012: Gedenkausstellung in Heimbach in der Eifel
- letze Ausstellungen fanden im Jahr 2014 statt. Einmal die im Frankfurter Hof in Mainz und zum anderen die im Stadtturm Gmünd in Kärnten
Der James Rizzi Trolley
In Erinnerung an Rizzi wurde der James Rizzi Trolley in streng limitierter Auflage auf den Markt gebracht. Gerade einmal 200 Exemplare gibt es weltweit. Dieser Trolley lässt sich optimal als exklusives Möbelstück verwenden und ist ein Must-Have für jeden Rizzi Fan. Der James Rizzi Trolley kann durch seine drei Einlegeböden, entweder aus Glas oder aber wahlweise auch aus Edelstahl, individuell eingesetzt werden. Dadurch, dass der Trolly zu Ehren von Rizzi Rollen hat, kann er auch schnell von einen Ort an den anderen Ort gefahren werden.
Einige dieser Trolleys sind auch in einigen Galerien ausgestellt. So ist zum Beispiel der berühmte Lufthansa Bordtrolley in der Dortmunder Galerie Zimmermann & Heitmann zu bewundern.
Im Übrigen, die Lufthansa war die Lieblingsairline von James Rizzi. Also auch kein Wunder, dass es auch einen exklusiven Lufthansa Bordtrolley zu Ehren von Rizzi gibt.

Die drei Druckprinzipien

Als Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert das Modell der Satzschrift mit auswechselbaren Lettern in der Druckerpresse entwickelt, wird er damit nicht nur zum Vater der Massenproduktion, sondern ermöglicht zugleich einen schnellen und flächendeckenden Informationsfluss. Bis heute gilt die Erfindung des modernen Buchdrucks als einer der Wegbereiter der Aufklärung. Als ältestes der drei Druckprinzipien wurde das "flach gegen flach"-Prinzip, unter das der Buchdruck fällt, bereits im 8. Jahrhundert im ostasiatischen Raum angewendet. Die beiden anderen Prinzipien, "flach gegen rund" und "rund gegen rund" sind Erfindungen des 19. Jahrhunderts.

Die Vervielfältigung von Gebrauchsgütern wie etwa Andachtsbildern für den täglichen Ritus findet in Europa bereits um 1400 statt. Diese frühen Druckgrafiken wie beispielsweise der "Einblattholzschnitt" stammen aus dem Bereich des Hochdrucks und sind von der (industriellen) Massenfertigung, wie sie der moderne Buchdruck ermöglichte, noch weit entfernt.

Druckprinzip 1: "Flach gegen flach"

Bei dem ersten der drei Druckprinzipien, nach welchem auch der Buchdruck funktioniert, wird die Farbe zunächst auf die Druckformplatte (im Falle des frühen Buchdrucks: auf die beweglichen Lettern) gegeben. In einem zweiten Schritt wird das zu bedruckende Material (Papier oder auch Stoff) mittels einer flachen Gegendruckplatte (Druckkörper) auf die zuvor eingefärbte Druckformplatte gepresst, sodass die Farbe übertragen wird. Für diesen Vorgang ist eine extreme Kraft vonnöten, die nur durch besonders schwere und große Maschinen erzeugt werden kann. Das Prinzip eignet sich insbesondere für größere zu bedruckende Flächen nicht optimal, da die entsprechenden Maschinen nur mit geringer Geschwindigkeit arbeiten können.

Druckprinzip 2: "Rund gegen flach"

Das Prinzip "Rund gegen flach" war bereits bekannt, als im 16. Jahrhundert die ersten Kupferdruckpressen entwickelt wurden. Bei diesem Verfahren handelte es sich jedoch um den sogenannten "Tiefdruck", da die zu druckenden Flächen als Vertiefungen in Kupferplatten geätzt und anschließend mit Farbe ausgefüllt wurden. Der Bedruckstoff wurde anschließend mittels eines zylindrischen Körpers mit Druck gegen die Platte gepresst bzw. mit Druck über ihr bewegt, sodass sich die Farbe aus den "Rillen" auf das Papier übertrug. Im 19. Jahrhundert schließlich übertrug der Buchdrucker Friedrich König das Prinzip "Flach gegen rund" aus dem Tief- in den Hochdruck, als er die "Stoppzylinderpresse" entwickelte, die er unter 1810 unter dem Namen "Schnellpresse" patentieren ließ (Siehe: Druckarten im Vergleich).

Bei diesem Verfahren sind die zu druckenden Flächen auf der Druckplatte erhöht und eingefärbt. Die Übertragung der Farbe findet statt, indem der zylindrische Druckkörper fest gegen die Druckplatte gepresst wird, während er um die eigene Achse rotiert. Zeitgleich wird auch die Druckplatte synchron unter ihm hin- und her bewegt. Auf diese Weise konzentriert sich der gesamte Druck auf eine schmale Stelle, die sogenannte "tangentiale Kontaktfläche" zwischen Druckkörper und -platte. Auf diese Weise wurde ab dem 19. Jahrhundert das Drucken mit deutlich erhöhter Geschwindigkeit und vor allem auch das großformatige Drucken möglich. Bei der sogenannten "Schnelleresse" handelt es sich um die erste mechanisch arbeitende Presse in der Geschichte der Druckmaschinen.

Druckprinzip 3: "Rund gegen rund"

Das letzte der drei Druckprinzipien, „rund gegen rund“, fällt bereits in den Bereich der vollkommen automatisierten Druckmaschinen. Bei diesem Prinzip wird mit zwei Zylindern gearbeitet, da hier nicht nur der Gegendruckkörper, sondern auch die Druckform zylindrisch bzw. gebogen an dem zylindrischen Druckkörper befestigt ist und damit seiner (runden) Form angepasst wird. Der Bedruckstoff wird durch den Gegendruckzylinder (entweder als Rolle oder als Bogen) gegen die Druckform gepresst und auf diese Weise bedruckt. Der Farbauftrag erfolgt auch bei diesem Prinzip als Hochdruck.

Das Prinzip „rund gegen rund“ ist sowohl das jüngste als auch das effektivste der drei Druckprinzipien, da es das Stoppen, Zurückfahren und Beschleunigen der Druckform (wie es bei den Prinzipien „flach gegen flach“ und „rund gegen flach“ notwendig ist) unnötig macht, da die beiden Zylinder ununterbrochen um die eigene Achse rotieren, während der Bedruckstoff zwischen ihnen hindurchgeführt wird. Auf diese Weise werden ungleich höhere Geschwindigkeiten erreicht als bei dem Prinzip „rund gegen flach“, was eine enorme Steigerung der Produktion bei gleichzeitiger Zeitersparnis ermöglicht. Die modernen Druckmaschinen funktionieren heute ausschließlich nach diesem Prinzip, das sich intern noch in den direkten und den indirekten Druck unterteilt.

Bei dem direkten Druckverfahren wird ohne Zwischenträger gearbeitet, sodass das Druckbild direkt von der Druckform auf den Bedruckstoff übertragen wird. Das bedeutet, das Druckbild muss auf der Druckform seitenverkehrt angebracht sein. Beispiele für das direkte Druckverfahren sind u.a. der heutige Buchdruck und der sogenannte „Flexodruck“. Beim indirekten Druckverfahren, das beispielsweise beim „Offsetdruck“ und beim „Tampondruck“ Anwendung findet, wird die Farbe zunächst auf einen flexiblen Zwischenträger aufgebracht, welcher es im nächsten Schritt an den Bedruckstoff weitergibt. Beim indirekten Druckverfahren muss das Druckbild also seitenrichtig auf der Druckplatte angebracht sein.


Comic: Ist das eigentlich Kunst?

Sie ist so alt wie das Genre selbst: Die Frage, ob der Comic eine Kunstform ist oder nicht. Als Chimäre zwischen Zeichenkunst und Storytelling vereint er sowohl Aspekte der Literatur als auch der Bildenden Kunst und bietet damit einzigartige Ausdrucksformen. Bis heute hat das beliebteste Medium der Populärkultur, das aus den Feuilletons dieser Welt kaum mehr wegzudenken ist, jedoch mit Klischees und Vorurteilen zu kämpfen: Während andere Künste institutionell gefördert werden, entwickelt sich das Genre "Comic" noch immer weitestgehend abseits des kulturellen Mainstreams und bleibt mehr oder minder sich selbst überlassen.

Die Japaner nennen ihn "Manga", was so viel bedeutet wie 'spontanes Bild', die Italiener haben ihn "Fumetti" ('Rauchwölkchen') nach dem Mittel der Sprechblase getauft und in Frankreich nennt man den Comic "Bande dessineé". Der englische Begriff indes leitet sich aus dem "Comic Print", einer Witzzeichnung des 18. Jahrhunderts ab. Von dieser Form ist dem Comic heute nur noch ein Merkmal geblieben, das ihn zugleich definiert: sein sequenzieller Charakter. Der Definition des US-amerikanischen Comic-Künstlers Scott McCloud zufolge erzählen Comics eine Geschichte in aufeinanderfolgenden (und aufeinander aufbauenden) Bildern – es handelt sich um sogenannte "sequenzielle Kunst".

Bekannt ist diese Technik bereits seit der Antike, wo sie u.a. als Grabinschrift Tätigkeiten des alltäglichen Lebens darstellte. Als eigenständige Kommunikationsform ohne Vorgabe von Inhalten, Zielgruppen oder Umsetzungsmodalitäten gelten Comics jedoch erst seit den 1990er Jahren. Die Abgrenzung zu anderen Formen wie etwa Cartoons, Illustrationen oder Karikaturen ist recht kompliziert, da in diesem Bereich besonders häufig auch mit Mischformen gearbeitet wird.

Literatur oder Zeichnung: Was genau ist der Comic?

Für die Literatur nicht komplex genug, für die Bildende Kunst nicht "genial" genug: Zu dem durchaus ambivalenten Ruf des Comics gesellt sich die Problematik seiner Identität als Mischmedium zwischen Literatur und Bildender Kunst. Obgleich der französische Literaturkritiker Francis Lacassin die "Sequenzielle Kunst" bereits in den 1960er Jahren zur eigenständigen Kunstform erklärt, hält sich gerade in Deutschland hartnäckig der Ruf des Comics als "Massenerzeugnis", für das es keiner besonderen künstlerischen Begabung bedürfe. Ganz anders in Amerika: Während das kreative Potential des Comics dort bereits recht früh durch Künstler wie Andy Warhol und Roy Lichtenstein erkannt wird, tut sich hierzulande sowohl die schreibende als auch die künstlerisch bildende Zunft sehr schwer damit, den Comic als zu ihnen gehörige Kunstform anzuerkennen.

Dies mag auch mit dem gleichsam unbegrenzten Potential des Mediums selbst zu tun haben: Als Mischwesen zwischen Schreiben und Zeichnen wächst der Comic stets über sich hinaus und findet laufend neue Ausdrucksformen, die stilistisch sowohl die Grenzen der Literatur als auch die Grenzen der Bildenden Kunst sprengen. Trotz dieses Entwicklungspotentials fehlt es dem Genre bis heute an institutioneller Förderung und gesellschaftlicher Anerkennung: Obgleich erfolgreiche Comics in zahlreiche Sprachen übersetzt und auf internationalen Festivals mit Preisen ausgezeichnet werden, gibt es kaum Fördermöglichkeiten oder Stipendienprogramme für angehende Comic-Zeichnerinnen und Comic-Zeichner.

Ist der Ruf erst ruiniert? Der Comic im Wandel der Zeiten

Kinderkram, Schmuddelheftchen, Instant-Zeichnungen: Seit die ersten "reinen" Comic-Hefte in den 1930er Jahren auf den Markt kamen, ist die Liste der Vorurteile, mit denen das Genre zu kämpfen hat, stetig gewachsen. Diese lassen sich vor allem in drei Bereiche unterteilen: Dem Comic wird vorgeworfen, er biete keinen Bildungsmehrwert, "verrohe" die Jugend und sei darüber hinaus unmoralisch. Seinen Ruf als triviale Kinder-Unterhaltung hat der Comic berühmten Helden der 1930er Jahre wie Superman, Tarzan und Tim & Struppi zu verdanken; den "Geschichten aus der Gruft" aus den 1950er Jahren wirft man vor, die Jugend zu Gewalttätigkeit zu animieren. Der Ruf des Comics als "unmoralische Schundlektüre" etabliert sich bereits während der 1920er Jahre mit einzelnen erotischen Comic-Strips und verfestigt sich während der 60er und 70er Jahre, als berühmte Figuren wie "Barbarella" und "Fritz the Cat" über die Ladentheke gehen.

Daveiam, The Graphic Novel Promtional Piece (Quelle: flickr.com)

Dabei bietet der Comic von Anfang an so viel mehr als triviale und erotische Unterhaltung: Die ersten Comic-Strips erscheinen in amerikanischen Zeitungen und behandeln des aktuelle Tagesgeschehen – und neben Tarzan und Superman werden mit "Micky Mouse" und "Donald Duck" schon während der 30er und 40er Jahre Comics verkauft, die mehrheitlich von Erwachsenen gelesen werden. Die Variantenvielfalt des modernen Comics reicht vom einfachen Comicstrip bis hin zur künstlerisch aufwändigen, inhaltlich anspruchsvollen "Graphic Novel" – dem Comic im Buchformat, das speziell auf ein erwachsenes Publikum zugeschnitten ist und auf einzigartige experimentelle Art und Weise gesellschaftlich relevante Themen behandelt (Siehe Bild: The Graphic Novel Promtional Piece). Im Jahre 2012 ist mit dem "Graphic Canon" sogar eine Quasi-Weltliteraturgeschichte in Comicform erschienen.

Comic heute: Von den Buddenbrooks zur Künstlerbiografie

Der moderne Comic kann alles sein: Einfache Figuren, schnell auf´s Papier geworfen - oder kunstvoll designte Graphic Novels, die Jahre bis zur Fertigstellung benötigen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass es sich um eines der sozialkritischsten Medien überhaupt handelt, das sich inhaltlich schon lange aus dem Bereich der trivialen Unterhaltung herausgelöst hat. Natürlich gibt es nach wie vor Comics für Kinder und natürlich deckt die Sequenzielle Kunst noch immer sämtliche Genres von Fantasy über Abenteuergeschichten bis hin zu Sciencefiction ab – doch der Comic hat auch mit der Eroberung des Höhenkamms begonnen. So versucht sich die Comic-Zeichnerin Isabel Kreitz seit 2006 an einer Comic-Variante von Thomas Manns "Buddenbrooks" und der österreichische Künstler Nicolas Mahler adaptiert bereits seit Jahren Texte von Thomas Bernhard, Lewis Carroll und Robert Musil in Comic-Form.

Eine recht neue Entwicklung ist die Künstlerbiografie in Form einer Graphic Novel (so in etwa Steffen Kvernelands Biografie über den norwegischen Maler Edvard Munch). Der Frage indes, ob das Comic-Zeichnen eine Kunstform ist, hat auch Nicolas Mahler nachgespürt – und zwar in einem Comic: Sein "Essay in Bildern" aus dem Jahre 2013 verhandelt eben jenen Drahtseilakt zwischen Kunst, Literatur und den entsprechenden Vorurteilen.

Fazit

Fakt ist also, dass die Diskussion um den "Comic als Kunstform" noch lange nicht beendet ist – und, dass das Genre die Diskussion mit gelassener Selbstironie verfolgt und zum Anlass nimmt, neue Kunstwerke oder eben neue Nicht-Kunstwerke zu erschaffen.


Kunststile im Vergleich: Besonderheiten der afrikanischen und asiatischen Kunst

Sie stellen gemeinsam rund 75 % der Weltbevölkerung und erstrecken sich auf knapp 15 % der gesamten Kontinentalfläche: Die Kulturen Asiens und Afrikas gehören zu den ältesten der Menschheit und zeichnen sich, trotz aller Unterschiede, vor allem dadurch aus, dass ihre jeweiligen Kulturgüter sich über einen extrem langen Zeitraum entwickelt haben und im Laufe der Jahrhunderte durch unzählige Ethnien geprägt wurden. Die ersten Funde im Bereich der Bildenden Kunst datieren für Asien auf ca. 10.000 v. Chr. und für Afrika auf ca. 8.000 v. Chr.

Afrikanische Kunst im engeren Sinne bezeichnet die künstlerischen Schöpfungen des sogenannten „Schwarzafrikas“, welches Ostafrika und Westafrika von der sudanesischen Savanne über die westliche und östliche Guineaküste bis zum Zairebecken umfasst. Im Norden des Kontinents, der mehrheitlich arabisch geprägt ist, hat sich eine andere Kultur entwickelt. Die Kunst Schwarzafrikas zeigt starke islamische Einflüsse und ist darüber hinaus auch von der Kultur des Alten Ägypten beeinflusst. Die asiatische Kunst ist bei Weitem heterogener als die afrikanische Kunst, da Asien zwar nur ein gutes Drittel mehr Gesamtfläche hat als Afrika, dafür jedoch rund 300 Millionen mehr Einwohner. Während die afrikanische Kunst trotz der Heterogenität der an ihr beteiligten Ethnien also durchaus verbindende kulturelle Merkmale aufweist, treffen in Asien je nach Region sehr unterschiedliche künstlerische Spielarten aufeinander.

Die Kunst Afrikas: Zwischen Masken und Skulpturen

Während die asiatische und insbesondere die chinesische Kunst sich schon sehr früh durch besonders filigrane Handwerksarbeit auszeichneten, spiegeln sich in der afrikanischen Kunst die überwiegend bäuerlichen Strukturen des Kontinents. So entstehen hier vor allem Skulpturen und Plastiken mit bemerkenswert klaren und natürlichen Formen. Obgleich die ersten Skulpturen laut Forschung bereits um 500 v. Chr. in Nigeria entstanden sind, sind heute so gut wie keine historischen Artefakte mehr vorhanden, da das bevorzugte Material jener frühen „Bildhauer“ Holz gewesen ist. Häufigstes Motiv jener Frühzeit ist die Natur beziehungsweise ihre reichen Gaben.

Mit zunehmender Verbreitung des Islam ab dem 13. Jahrhundert verändern sich auch die künstlerischen Ausdrucksformen, sodass in besonders wohlhabenden Regionen die ersten Bronze- und Messinggüsse mit Verzierungen aus Edelsteinen oder Elfenbein entstehen. Neben Skulpturen und Plastiken lebt die afrikanische Kunst von sogenannten „Holzschnittmasken“, die in der Regel zu rituellen Anlässen gefertigt werden und beispielsweise einen Schutz gegen Krankheiten und schlechte Energien darstellen.

Zu den heute erhaltenen afrikanischen Kunstobjekten zählen neben:

Masken,

Skulpturen und

Plastiken auch

Throne, Hocker, Grabstatuetten und Ahnenfiguren.

Afrikanische Kunst: Von Götterkult und Kultstatus

Die Kunst Afrikas ist fest verbunden mit der spirituellen Welt dieses Kontinents. In der Regel sind die Masken, Figuren und Skulpturen nicht nur Kunst- sondern auch Gebrauchsgegenstände und werden im Kontext von Festen und Ritualen (beispielsweise dem Beschneidungsritual, dem Erntedankfeste usw.) eingesetzt. Viele Statuen entstehen auch als Abbilder von Göttern, sind also Bestandteil der polytheistischen Religionen Afrikas. Eine berühmte afrikanische Masken-Art ist die „Nimba-Maske“, die – je nach Ausführung – bis zu 70 kg wiegen kann, über den Kopf gestülpt getragen wird und abstrahiert die Gestalt einer alten Frau mit hängenden Brüsten zeigt. Die Nimba-Maske gilt als Fruchtbarkeitssymbol und wird während der Erntezeit bei rituellen Anlässen verwendet.

Aufgrund ihrer natürlichen, klaren Formen erlebt die afrikanische Kunst Anfang des 20. Jahrhunderts einen regelrechten Boom in Europa, da die Wegbereiter der künstlerischen Moderne in ihr einen Weg zur authentischen, antiakademischen und unverbildeten Kunst sehen. So wird die Kunst Afrikas vor allem für die Expressionisten zur Inspirationsquelle und in diesem Kontext mit (aus heutiger Sicht deutlich diskriminierenden) Begriffen wie „Primitivismus“ oder „Negerplastik“ belegt. Da sich erst in dieser Zeit auch ein entsprechendes Forschungsinteresse entwickelt und man damit beginnt, afrikanische Kunstgegenstände zu sammeln, sind die meisten der heute vorhandenen Ausstellungsstücke kaum älter als etwa 150 Jahre.

Durch internationale Förderung und den starken kulturellen Kontakt während des letzten Jahrhunderts hat sich die afrikanische Kunst mittlerweile weitgehend von ihren „rituellen“ Wurzeln gelöst und zu neuen Ausdrucksformen gefunden. Auch die globalen künstlerischen Entwicklungen nehmen mittlerweile starken Einfluss auf die Kunst dieses zweitgrößten Kontinents. Bekannte zeitgenössische Künstler sind etwa der ghanaische Sargkünstler Eric Adjetey Anang und Mbongeni Buthelezi aus Südafrika, der für seine Materialbilder (siehe Bild) bekannt ist.

mitue, flickr.com (2009)

Die Kunst Asiens: Zwischen Porzellan und Kalligraphien

Als asiatische Kunst im engeren Sinne gelten die künstlerischen Schöpfungen Chinas und Japans. Eine Sonderstellung nimmt hier die Buddhistische Kunst ein. Die kulturellen Entwicklungen in anderen asiatischen Ländern und Staaten wie etwa Russland, Indien, Indonesien und der Mongolei, die rein geographisch mit die größte Fläche einnehmen, weist hier zwar durchaus Gemeinsamkeiten auf, hat sich in vielen Bereichen jedoch anders entwickelt und gilt daher als weitgehend unabhängig von der Kunst der Nachbarländern. Als beispielhaft für die asiatische Kultur gelten häufig die kulturellen Errungenschaften Chinas, da das bevölkerungsreichste Land auch die Entwicklung von Kunst und Kultur in anderen ost- und südostasiatischen Staaten wie Korea, Japan und dem Vietnam erheblich beeinflusst hat.

Die chinesische Kunst ist durch eine erstaunliche Kontinuität geprägt und zeichnet sich (im Gegensatz zur afrikanischen Kunst) schon früh durch ein hohes Maß an Handwerksfertigkeit und eine distinguierte filigrane Ästhetik aus, wie sie beispielsweise schon die „Liangzhu-Jade-Kultur“ rund 6000 v. Chr. aufweist. Berühmtheit hat die chinesische Kunst jedoch vor allem durch die extrem detailreiche Malerei und Kalligraphie erlangt, die hier zu den meist geschätzten Künsten gehören. Bekannt ist hier u.a. der sogenannte „Orchideenpavillon“ des Künstlers Wáng Xīzhī aus dem 4. nachchristlichen Jahrhundert.

Weitere Eckpfeiler der chinesischen Kunst sind

der Holzschnitt,

die Lackkunst an Keramik,

die Tapetenkunst auf Bambusfaser und

die Porzellan-Herstellung und -verarbeitung, welche ihren Höhepunkt in der Ming-Dynastie erreicht.

Bei den ältesten Funden japanischer Kunst handelt es sich um Keramik aus dem 10. vorchristlichen Jahrtausend. Genau wie in China entwickelt sich in dem ostasiatischen Staat eine große Varietät und die künstlerischen Ausdrucksformen reichen über Malerei, Kalligraphie, Töpferkunst und Lackarbeiten bis hin zu farbigen Holzschnitten. Eine besondere Rolle kommt in der japanischen Kunst der Schwertschmiedekunst zu. Anders als die afrikanische Kunst, die mehrheitlich vom Ritus geprägt ist, entsteht die Kunst des asiatischen Raumes schon früh aus einem künstlerischen Ehrgeiz heraus, der mit ein Grund dafür ist, dass sowohl China als auch Japan in so vielen Bereichen der Bildenden Kunst bisher unerreichte Meisterschaft erlangt haben.

Asiatische Kunst: Von Spiritualität und Prestige

neonow, buddha, flickr.com (2014)

Auch wenn die asiatische Kunst deutlich distinguierter ist als die afrikanische und von den jeweiligen Machthabern in der Regel auch gezielt gefördert wird, gibt es hier ein verbindendes Element: Auch die asiatische Kunst ist wesentlich spirituell beeinflusst. Der Buddhismus ist zwar – anders als der polytheistische Kultus in Afrika – nicht wesentliche Triebfeder der asiatischen Kunst, hat deren Entwicklung jedoch entscheidend geprägt. Die „buddhistische“ Kunst entwickelt sich vor rund 2500 Jahren im indischen Subkontinent und stellt ein komplexes ikonographisches und symbolisches System dar. Als buddhistisch zählen jene Schöpfungen im architektonischen und bildnerischen Bereich, die einen Bezug zu Buddha bzw. den entsprechenden Lehren haben.

Die heute weltweit bekannten Buddha-Darstellungen entstehen interessanterweise erst während der Blütezeit der Buddhistischen Kunst unter König Ashoka (268-232 v. Chr.), da die menschliche Darstellung Buddhas während der frühen Phase dieser Kunst nicht gestattet war. Der indische Dynast ist auch derjenige, der für die Verbreitung des Buddhismus in Zentral- und Südostasien verantwortlich ist. Die ersten Skulpturen Buddhas, wie wir sie heute kennen, entstehen etwa ab dem ersten nachchristlichen Jahrhundert in Indien. Zwischen dem ersten und dem achten nachchristlichen Jahrhundert entwickelt sich vor allem in China eine virulente buddhistische Kunst, die ab dem fünften Jahrhundert ihre Blüte mit der „buddhistischen Großplastik“ erreicht. Beispielhaft für diese Zeit sind u.a. die Buddahfiguren in den Longmen-Grotten in der chinesischen Provinz Henan.